Komme immer, kann immer
Wenn es um das Thema Sex geht, flunkern die Menschen, bis die Bettfedern schnalzen.
Mehr Sport, weniger Sex – wie unlängst an dieser Stelle erwähnt, lässt sich damit das Liebesleben der deutschen Nachbarn zusammenfassen. Möglicherweise auch mit dem Schluss, dass es eine bisher unentdeckte Beischlaf-Mittagsschlaf-Korrelation gibt. Da davon auszugehen ist, dass die Österreicher kaum andere Freizeit-Gewohnheiten haben, wird’s bei uns ähnlich sein. Angeblich. Warum ich mich auf das Wort einschieße? Sehr oft faseln die Menschen in Meinungsumfragen irgendwelchen Blödsinn – und ich erwähne da gerne das W-Wort. W wie „Wahl“. Man muss sich ja nur vorstellen – da ruft einer an und sagt „Grüß Sie, darf ich Sie ein bissl was zu Ihren Sexvorlieben fragen?“ Da hat man dann drei Möglichkeiten – a.) Man sagt: Und tschüss, du Geilspecht. b.) Man lehnt in höflichem Ton ab, weil es irgendwie absurd scheint, einem Meinungsforschungsinstituts-Nebenjob-Studenten Fragen zu beantworten wie „Wie oft haben Sie Sex in der Woche?“ „Haben Sie dabei immer einen Orgasmus?“ „Mögen Sie Blowjobs?“ Und: „Stehen Sie auf Analsex?“ Oder c.) Man macht sich eine Gaudi und würfelt geistig die Antworten. Etwa so: „Hoho, Analsex. Klar, täglich drei Mal.“ Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die Menschen in Sachen Sex grundsätzlich schummeln, dass die Bettfedern schnalzen. Weil Sexualität stark mit Themen wie Performance und Außenwirkung zusammenhängt – ich vögle, also bin ich … cool, potent, sexy, jung, schön (beliebig fortzusetzen). Also wird in so einer locker-flockigen Umfrage eher niemand sagen „Ähem, wenn Sie mich so genau fragen: Ich hatte in den vergangenen drei Jahren exakt vier Mal Sex. Und davon fünf Mal keinen Orgasmus.“ Oder: „Um ehrlich zu sein, kriege ich ziemlich oft keinen hoch.“ Das kommt uncool, geht gar nicht. Wo doch alles flutschen, jeder ächzen und multipel kommen muss. Nichts Neues, übrigens. Bereits im Jahr 2002 publizierte der US-Psychologe Robert S. Feldman eine Untersuchung, in der er erhob, wie oft Menschen schummeln, wenn sie sich selbst präsentieren. Da liegt die Akte Sex ganz vorne, speziell bei Frauen. Die lügen oft beim oder über Sex – und zwar öfter als Männer. Am üblichsten ist die Orgasmus-Lüge, so ungefähr: „Klar komme ich immer, wenn ich mit meinem Mann schlafe.“ Und das auch nach 25-jähriger Ehe? „Ja sicher, Sie nicht?“ Heikel, sehr heikel. Ich finde daher typisch postkoitale Fragen wie „Und – wie war’s?“ oder „Bist du gekommen?“ brandgefährlich, weil Wahrheit mühsam ist. Als Kompromiss könnte man zwar sowas sagen wie „Hm, es war ... durchaus interessant.“ Das ist allerdings so wie nach einem Innereien-Essen, das die Frau des Chefs gekocht hat. Wo man auf die Frage „Hat’s geschmeckt?“ nicht mit Sagern wie „Es war zum Speiben“ antwortet. Sondern mit diesem „interessant“-Dings. Ein bisserl wahr, ein bisserl gelogen. Aber meist ist es so: Man denkt „Mah, ich sag einfach, dass ich gekommen bin, weil ich nicht diskutieren will, sondern büseln.“ Männer wiederum drücken mit diversen unrealistischen Sex-Perfomance-Schwurbeleien wie „Bist du deppert, die habe ich zwei Stunden lang durchgepempert und sie ist acht Mal gekommen“ die Sehnsucht nach ihrer Powered-by-myself-Helden-Saga aus. Aber wie sagte EU-Präsident Jean-Claude Juncker so schön: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“gabriele.kuhn@kurier.at
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