Keine geile Alte

Alt sein gilt nicht, wenn es um Sex geht. Vor allem Frauen in einer gewissen Altersklasse wird das Recht auf Lust abgesprochen, nur weil sie sich nicht mehr stromlinienförmig im Bett rekeln. Und die Männer? Die sind cool, wenn sie noch mit 80 grabschen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Schön blöd – aus Alltagssexismus wird jetzt Alterssexismus.

von Gabriele Kuhn

über Alterssexismus.

Zuletzt gab es wieder einmal allerlei zum Thema Alltagssexismus zu lesen. Erfahrungen, Impressionen, verletzte Gefühle. Es hat sich manches verändert, aber eben noch nicht genug.

Und dann. Dann sind Frauen ab einem bestimmten Alter guten Mutes, dass sich’s mit dem dumpfen Herumgesabbere erledigt hat und sie aus der Schusslinie geraten. Um zu bemerken, dass alles wieder von Neuem beginnt – anders zwar, aber immerhin. Ja gut, Frauen „irgendwas Plus“ hören keine launigen Baustellen-Sätzchen wie „Oida, die Klane hot an Orsch zum Einebeißen“ mehr. Und das mit den triefenden Blicken männlicher Spaziergeher ist ebenfalls gegessen. Hie und da registrieren „reife Damen“ noch das eine oder andere hormonelle Aufflackern eines in die Jahre gekommenen Herrn, aber sonst? Eher nix.

Schlecht ist das nicht – so ist der Lauf der Dinge. Wer in sich ruht, wird sich diesbezüglich entspannt zur Ruhe setzen, um sich in aller Gelassenheit und epischer Breite zu mögen. Schöne Komplimente und Ehrerbietungen – ja bitte. Aber geifernd-untergriffiger Applaus von ein paar notgeilen Hosenträgern: verzichtbar.

Schön blöd – aus Alltagssexismus wird jetzt Alterssexismus. Womit ich beim Kapitel „Leserbrief“ gelandet wäre. Manche dieser Werke taugen als Gesinnungsparabolspiegel, der nachdenklich macht. Denn natürlich gibt es immer wieder BriefschreiberInnen (auch Frauen), die mir aufgrund meiner Lebensjahre (ich bin 52) nicht nur das Recht auf ein Sexualleben entziehen möchten, sondern mich auf einer Art Altendeponie entsorgt sehen wollen. Die denken, diese Kolumne wäre dazu da, Onaniervorlagen per Wochenend-Abo zu bestellen – und da, bittschön, muss was Junges her! Dass dieses Anliegen oft einmal nicht ausufernd charmant formuliert ist, ist auch klar. Atteste wie „Frustriert, im Wechsel, frigide“ sind da eher noch harmlos. Aber so ist das. Grund zum Ärgern? Nein, gar keine Lust darauf. Zumindest nicht, wenn ich persönlich gemeint bin. Ich lese, lösche und denke mir: Leb doch dein eigenes, armes Leben. Viel Spaß.

Viel schlimmer ist allerdings, dass die Gesellschaft mit dem Altern und dem damit verbundenen körperlichen Transformationsprozess nach wie vor nicht zurechtkommt. Frauen aller Altersklassen wird pauschale Stromlinienform und Glätte verordnet – worauf sich manche verzweifelt in Teenager-Kleidchen pressen. Viele tun nur so tolerant und fabulieren vom „würdevollen Altern“, während sie mit dem nächsten Atemzug daran denken, sich die Brüste chirurgisch hochhieven zu lassen. Alles im Namen der Forever-young-Faschisten, die am liebsten einen Nobelpreis für Faltenunterspritzung verleihen würden. Im verzweifelten Run auf Sexyness und Fettlosigkeit sind viele Frauen daher auch bereit, alles zu tun – bis hin zum völligen Verlust der Authentizität.

In diesem Kontext ist manchen der Gedanke, dass weibliche Menschen jenseits des reproduktionsfähigen Alters auch noch sexuelle Wesen sein könnten, ein Grauen. Oma-Sex, wie pervers – maximal im Porno.

Hauptsache, die Herren haben die Lizenz zum Lustgreis und dürfen ungestraft grabschen, bis der Internist kommt.

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