Im Zweifel Berühmt

Sie galt als Kultfigur der Porno-Chic-Bewegung in den 1970er-Jahren. Jetzt wurde das Leben der „Deep Throat“-Hauptdarstellerin Linda Lovelace in einen Hollywoodfilm gepackt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Porno versus reellen Sex – den Unterschied möchte ich jodeln können.

von Gabriele Kuhn

über Pornos.

Porno versus reellen Sex – den Unterschied möchte ich jodeln können. Schön, anschaulich und maximal appetitlich herausgearbeitet hat ihn nun die Werbeagentur „kornhaberbrown“ in dem Aufklär-Video „Porn Sex vs. Real Sex“ (zu sehen auf YouTube). Und zwar mit Hilfe von Gemüse, Obst und anderen Genuss-Utensilien. Formidabler Einstieg: der Penisgrößen-Reality-Check anhand einer prachtvollen Salatgurke. Und wie das Gurkenhackel da mit so manchem Größenwahn aufräumt. Auch nicht schlecht die Sektflaschen-Metapher für die Koitus-Performance von Männern. Während es in Pornos so scheint, als würden die Protagonisten endlos lang vögeln können, ploppt der „Korken“ im Alltag oft einmal schon nach drei hurtigen Minuten. So schaut’s aus.

Apropos Porno. Es gibt vermutlich ein einziges Rein-raus-Oeuvre, das seinen Platz in der Film- und auch Weltgeschichte gefunden hat. Jetzt ist es wieder in aller Munde. Wer „ Deep Throat“ nicht kennt: Es geht um eine Dame, die ihr sexuelles Lustzentrum in der Kehle sitzen hat. Und folglich nur durch Fellatio zum Orgasmus kommen kann – the deeper also, the better, und das bitte in den Anfängen der 1970er-Jahre. Dennoch wurde das vollmundige Werk zum Kult und Kassenschlager: In sechs Tagen um 25.000 US-Dollar produziert, spielte der Film (damals in öffentlichen Kinos mehrmals pro Tag zu begutachten!) sechs Millionen Dollar ein – der Beginn des „Porn Chics“.

Jetzt ist das kultige Oralsex-Epos – indirekt – erneut in den Filmtheatern zu sehen. In der Hollywood-Produktion „ Lovelace“ wird die zweischneidige und bei genauerer Betrachtung hochkomplexe Geschichte der Hauptdarstellerin Linda Lovelace (vom Boulevard „Mutter aller Blowjobs“ tituliert) erzählt. Komplex und auch wenig glamourös deshalb, weil die geborene Linda Susan Boreman (dargestellt von Amanda Seyfried) nicht freiwillig zur Pornolegende wurde, wie sie Jahre später in ihren beiden Autobiografien kund tat. Ihr Ehemann und Deep-Throat-Produzent Chuck Traynor soll sie mit Gewalt dazu gezwungen haben und war davon besessen, sie zu kontrollieren. Die Sexszenen seien Vergewaltigungen gewesen. Im Umfeld der Publizistin Gloria Steinem schloss sich Lovelace schließlich der Anti-Porno-Bewegung „Women’s Liberation“ an (um sich später wieder davon zu distanzieren – sie fühlte sich „benützt“). Das irritierte – zumal Lovelace ihren „Ruhm“ auch zu genießen schien. Sie zierte den Cover von „Esquire“, besuchte die „Oscars“ und wurde von Johnny Carson in seine „Tonight-Show“ eingeladen.

Wie’s wirklich war, ist schwer zu klären, Lovelace ist 2002 an den Folgen eines Autounfalls gestorben. Dennoch bleibt – für diese Branche üblich, speziell in ihrer „Frühzeit“ – kein Zweifel, dass es im Leben der Lovelace einen zweiten, dunklen, von Unterdrückung geprägten Handlungsstrang gegeben haben muss. Weitab von der viel zitierten „sexuellen Befreiung“ – was Steinem in Interviews zum Film bestätigt: „In Wirklichkeit war alles noch viel schlimmer.“ Von sich und ihrem Leben abgespalten, war Lovelace also wenig Glück beschert. Und Irgendsoetwas schwingt immer mit, wenn’s um Pornos geht.

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