Fifty shades of Kuhn
Sex in der Freizeit: Ich werde derzeit von allen Seiten bedrängt, doch auch endlich Geld zu machen. Mit einem Sex-Bestseller – denn was eine offensichtlich etwas prüde Britin kann, kann eine routinierte Sex-Kolumnistin doch schon lange! Aber so einfach bitte ist das nicht.
Das hättest du auch zusammengebracht, jetzt lass dir was einfallen. Wir wollen gemeinsam mit dir reich werden.“ Seit auch bei uns der Erotik-Weltbestseller „Fifty Shades of Grey “ in fast jedem Schlafzimmer herumkugelt, sind die Freundinnen speziell lästig und wollen, dass ich zur Tat schreite. Ja, verdammt viele haben die SM/Schwarte schon gelesen. Kaum jemand findet sie literarisch gut. Aber! Die blonde A – eine Germanistin, bitte – bricht es auf eine simple, dreckige Erkenntnis hinunter: „Ich bin geil geworden und meinen Alten hat’s auch gefreut.“ (Der „Alte“ ist übrigens Mathematiker und vor allem für seine hervorragenden Schachkenntnisse bekannt.) Das ist natürlich ein Argument. Ich beginne zu überlegen: Wie – und vor allem womit – könnte ich es in die Bestsellerliste schaffen? Ich gehe geistig die mir bekannte erotische Welt- und Trivialliteratur durch und habe noch weniger einen Plan als zuvor. Man möchte ja eines ganz sicher nicht: autobiografisch werden oder zumindest so tun, als hätte man all das, worüber man in dem Buch fantasiert, schon selbst erlebt. Eine schreckliche Vorstellung, dass man als erfolgreiche Sex-Autorin durch die Welt reist und etwa in einer französischen Talkshow gefragt wird, ob die Schlagbohrer-Szene im Hinterzimmer dieser Vorstadt-Location wirklich genau so stattgefunden hätte. Denn, so die zweite Erkenntnis: Mit banalen Schilderungen banalen Bedürfnissen und deren banaler Umsetzung bleibt man eher ein Ladenhüter. Missionarsstellungs-Sex haben wir eh alle daheim, dazu braucht es echt kein dickes Buch. In einem erfolgsträchtigen Erotik-Bestseller muss möglichst viel stehen, was den Durchschnittsbürger offiziell „Skandal!“, „Wie pervers!“ oder „Ekelhaft!“ rufen lässt (während er feuchten Schritts daheim eine Seite nach der anderen verschlingt und es danach sehr lustig hat). Idealerweise sollte das Feuilleton in den Choral der Empörung einstimmen. Gut wäre es zudem, würden Frauenrechtlerinnen das Werk in einem weltweiten Akt der Solidarität an einem fixen Tag vor laufenden Fernsehkameras zerreißen. Heißt also: Die Handlung muss hart an der Grenze des Erträglichen sein, am besten drüber. Vorstellbar wäre etwa die Geschichte von der blutjungen Frau, die nach einem Vollrausch auf der Villa-Warming-Orgie eines total kaputten Mittvierzigers aufwacht. Dort lernt sie H – steinreich, evtl. Industrieller oder Erbe, mehrmals geschiedenen Veganer – kennen. Der, von Frauen enttäuscht, kann nur mehr einen hochkriegen, wenn er in Damenunterhosen um Strafe bettelt. Doch die Liebe der blutjungen Protagonistin heilt die männliche Seele – nach 450 möglichst abgründigen Sexszenen. H wandelt sich zum potenten Sunnyboy – wenn sie nicht sterben, vögeln sie auch morgen noch in der Löffelchenstellung. So könnte das funktionieren.
Gut gehen auch sicher Geständnisse: „Angela H – 5000 Männer, was kommt jetzt?“ Oder: „ Liana Z. Sie versteigerte ihren Körper auf eBay.“ Das erschöpfende Ausschlachten von Neigungen und Praktiken – „Sie mag’s nur anal“ oder so – hat ebenfalls einiges an Potenzial. Man sieht: An Ideen ist kein Mangel. Nur an Entschlossenheit fehlt es. Und Mut. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
gabriele.kuhn(at)kurier.at
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