Einmal geht’s noch

sex IN DER FREIZEIT: 19 Mal pro Tag
Sex in der Freizeit: Ein Paar mittlerer Reife versucht im Film „Wie beim ersten Mal“ seine Leidenschaft zu reanimieren – mithilfe einer Paartherapie. Auch außerhalb Hollywoods Filmstudios kann das klappen – vorausgesetzt, man hat den Mut.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Im Film „Wie beim ersten Mal“ (derzeit in den Kinos) fragt der Paartherapeut Dr. Feld den sexuell etwas lasch gewordenen Arnold (gespielt von Tommy Lee Jones): „Arnold, haben Sie Fantasien?“ Der antwortet daraufhin: „Dreier“. Seine Frau Kay ( Meryl Streep), die im Zuge dieses Dialogs erfahren darf, wer denn in Arnolds Fantasie-Triangel genau eine Rolle spielen könnte, ist ein wenig desavouiert: „Carol? Die mit den Corgis?“ (Anm.: eine Hunderasse).So kann’s gehen, wenn sich ein Paar, das 31 Jahre miteinander verheiratet ist, aufmacht, um die eheliche Leidenschaft zu reanimieren. Mitunter tun sich da Dinge auf, die man so genau nie wissen wollte. Doch vielleicht ist genau das der einzig noch offene Notausgang, wenn die Reizwäsche ausgereizt ist und die Libido Siesta macht. Der Mann schnarcht, abends läuft Golf im Fernsehen, aber nichts im Bett. Trotzdem ist da noch Liebe. Weil es ihm gut tut, brutzelt sie ihm morgens Ei mit Speck. Weil’s ihr gut tut, gibt’s abends Smalltalk. Bis man eines Tages nach einem wirr-nassen Traum aufwacht und sich denkt: Hallo? Ist da jemand? Man hat Eier, man hat Eierstöcke. Man hat noch alles am rechten Fleck. Das kann’s nicht gewesen sein. Da geht noch was, da muss was gehen. An diesem Punkt flieht so manche/r in eine Affäre oder sauft sich allabendlich die Welt schön. Andere gehen sieben Mal in der Woche zum Lach-Yoga oder schwitzen beim Marathon. Eine brauchbare Alternative spielen uns Kay und Arnold vor: Sie wagen eine Paartherapie und tun das, was sie ein Liebesleben lang nicht getan haben. Sie denken erstmals laut über ihre Träume und Fantasien nach, um endlich zu erkunden, was bisher gefehlt hat. Kritiker fragen sich an dieser Stelle, ob das tatsächlich etwas bringt, außer dem Therapeuten einen feschen Kontostand. Denn grundsätzlich sei davon nicht auszugehen, dass zwei Menschen, die 31 Jahre Bett, Bad und Bidet teilen, aufgrund der therapeutischen Intervention plötzlich Nacht für Nacht orgiastisch herumturnen und sich in multiplen Orgasmen wälzen. Klar, es wird (zumindest mit der eigenen Frau/dem eigenen Mann) nicht mehr so aufregend wie früher. Die ultimative Gier und Geilheit des Anfangs pickt im Archiv. Und aus. Aber ein bissl was geht trotzdem. Zwei, die auf Basis ihres gegenseitigen Respekts, ihrer ungebrochenen Zuneigung, ihrer Verbundenheit und Historie (und ihrer Freundschaft!) so lange beieinander geblieben sind, können ganz sicher noch einmal die Unterwelt aushebeln. Und wenn es nur zwei Mal pro Monat ist.

Sexuelle Flaute entwickelt sich häufig aus falschen Erwartungshaltungen, die aus dem Gewesenen gespeist werden. Und aus den falschen Bildern, die wir von Sexualität haben. Der deutsche Paartherapeut Ulrich Clement sagte dazu einmal in einem Interview mit dem Magazin „ DER SPIEGEL“: „Immerzu Leidenschaft einzufordern, das hat etwas Terroristisches.“ In der Vorstellung vieler ist und bleibt Sex mit spontaner Lust, mit besinnungslosem Begehren und darauf folgendem Super-Gerammel verbunden. Woran die Wenigsten nicht denken, ist, dass Sex auch leiser sein kann, weniger scharf, und gelassener. Dabei steht weniger der Kick im Fokus, als der Mensch.

gabriele.kuhn(at)kurier.at

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