Die Flug-Nummer
Nach jedem Flug wird die Kabine mit einem speziellen Reiniger geputzt, der Viren und andere Erreger tötet.
Er galt als „Sexklassiker“ und schockierte das Publikum mit Sätzen wie „Was hat es denn nun eigentlich mit der Ehe auf sich? Selbst wenn man seinen Mann liebt, kommt unweigerlich die Zeit, wo das Ficken so fade wie Schmelzkäse wird. Und man sehnt sich nach einem überreifen Camembert.“ Das war vor 43 Jahren, nun soll Erica Jongs Roman „Angst vorm Fliegen“ verfilmt werden. Aus dem Werk stammt auch der saftige Begriff „Spontanfick“ („Zipless fuck“, im Original) – über den an dieser Stelle bereits geschrieben wurde. Das alles führt mich zum eigentlichen Thema – der Lust beim Fliegen. Die Menschen mögen die Idee eines Zipless fuck oder zumindest intimer Handgreiflichkeiten im Flieger. Nicht zwingend in die Tat umgesetzt, aber zumindest gedanklich. Umfragen zufolge fantasiert jeder Zehnte von Sex im Flugzeug. Nun, der Gedanke an einen Höhenflug beim Höhenflug hat natürlich was. Doch angesichts der Platzsituation in manchen Fliegern scheint die Umsetzung so einer Luftnummer genauso irreal wie ein Bord-Essen, das über einen staubtrockenen Puten-Käse-irgendwas-Snack hinausgeht. Auch am Klo, wo sich Menschen mit latenter Platzangst zusammenreißen müssen, dass sie beim Pinkeln nicht hyperventilieren, scheint Sex eher ein No-go. Außer man hat Schlangenmensch-Gene. Also bleibt’s meist beim Kopfkino, wie die Umfrage einer Flugpreisvergleichsseite vergangenes Jahr offenbarte. Da wurden Europäische Kunden gefragt, ob sie schon einmal sexuelle Erfahrungen im Flugzeug hatten – nicht am WC, sondern direkt auf dem Sitz. Im Ländervergleich zeigte sich, dass nur vier Prozent der Deutschen tatsächlich Kabinensex hatten, bei den Franzosen war es immerhin fast ein Viertel der Befragten, gefolgt von den Italienern, mit 18 Prozent. Die Motivation für so einen „Über-den-Wolken-Kick“ wurde ebenfalls abgefragt: An erster Stelle lag die Risikolust, an zweiter die „Gelegenheit“ – sprich: freie Nachbarsitze und das damit verbundene Gefühl, unbeobachtet zu sein. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt einschlägige Lektüre. Außerdem Regie führend: Alkohol. So oder so: Der Spaß ist streng verboten. Was denen, die es trotzdem tun, egal ist. Folglich gibt’s den „Mile High Club“ (www.milehighclub.com) – ein virtueller Verein mit Mythos-Charakter, bei dem nur Leute Mitglied sein können, die Sex auf 1.852 Meter über der Erde hatten, das ist eine nautische Meile. Also gibt es jetzt spezielle Angebote fürs Vögeln in der Vogelperspektive. So bietet etwa die US-Fluglinie „Love Cloud“ Über-Flüge für Paare an – Werbe-O-Ton: „Lassen Sie Ihre Fantasie Wirklichkeit werden.“ Mit einer Cessna 421 hebt man ab, cruist über Las Vegas und kugelt – nach Abschnallen – auf einer großzügigen Schaummatratze samt Herzkissen herum. Ein halbstündiger Flug kostet 799 US-Dollar, für die volle Schäferstunde „On Air“ müssen Geneigte 999 US-Dollar hinblättern. Dafür bleibt man ungestört („der Pilot hat via Kopfhörer keinen Kontakt zur Kabine“) und hört lediglich das Brummen der Maschine. Oder Musik. Am Ende des Flugs winkt die Mile-High-Club-VIP-Mitgliedschaft und ein Foto fürs Familienalbum. Interessant übrigens die Anmerkung von Love Cloud zum Thema Hygiene: „Nach jedem Flug wird die Kabine mit einem speziellen Reiniger geputzt, der Viren und andere Erreger tötet.“ Bon Appetit.gabriele.kuhn@kurier.at
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