Atemlos durch den Film

„Goldene Himbeere“ heißt die Spott-Trophäe, die alle Jahre wieder am Abend vor der Oscar-Verleihung vergeben wird. Damit gingen so klingende Filme wie „Karriere durch alle Betten“, „Ekstase“ oder „Striptease“ in die Anti-Oscar-Geschichte ein. Heuer dafür nominiert: das fesselnde Werk „Fifty Shades of Grey“.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

6 für Sex. So kurz und knackig klingt das, wenn ein Erotikfilm Gefahr läuft, zur Lachnummer zu werden. Und das in insgesamt sechs Kategorien. Konkret: Die Verfilmung der Sadomaso-Trilogie „Fifty Shades of Grey“ wurde in gleich sechs Kategorien bei der Vorauswahl der Spott-Trophäe „Goldene Himbeere“ nominiert. Und zwar nicht nur als schlechtester Film des Jahres, sondern auch in den Kategorien „schlechtester Regisseur“, „schlechtestes Drehbuch sowie schlechteste Schauspieler. Am Vorabend der Oscar-Verleihung wird dann verkündet, wer die Anti-Oscar-Trophäe tatsächlich überreicht bekommt. Um ehrlich zu sein: Mich wundert das nicht wirklich. Mag zwar sein, dass eingefleischte Shades-of-Grey-Fans von dem Oeuvre gefesselt waren und mit feuchtem Schritt im Kinosaal saßen, aber sonst? Viel Lärm um genau nichts, garniert mit ein paar Klischees und Plattitüden. Manche Zitate sprechen für sich, interessanterweise firmieren einige davon im Internet als „legendär“. Es wird gar behauptet, sie hätten „ihren Weg in die alltägliche Sprache gefunden“ – ein Best-of: „Mr. Grey will see you now“ (Mr. Grey wird Sie jetzt empfangen) – ein Satz wie Gleitgel, auch im filmischen Vorspiel. Ohne diesen Satz wäre im Buch nicht passiert, was dann passierte – im Film durfte er nicht fehlen. Vermutlich auch gerne in heimischen Darkrooms bemüht: „Firstly, I don’t make love. I fuck ... hard.“ (Erstens – ich mache nicht Liebe. Ich ficke ... hart.) Unbestätigten Gerüchten zufolge brauchen manche Frauen Riechsalz, nachdem sie diese Worte hören. Auch nicht übel: „Come, let’s go to bed, I owe you an orgasm.“ (Komm’, lass uns ins Bett gehen. Ich schulde dir einen Orgasmus.). Wuh. Die Latte lag hoch, alles begann vielversprechend. Etwa beim Ticketverkauf – der schnalzte schon vorab in Orgasmus-Dimensionen. Was aufgelegt war – denn zuvor wurden potenzielle Fans Schlag auf Schlag niedergetickert. Atemlos spekulierte man, wer die devote Ana spielen könnte. Atemlos delirierte man sich durch das Casting des geheimnisvollen Christian Grey. Wer macht’s? Wer haut hin? Wer fesselt? Wer lässt sich fesseln? Tout Hollywood schien dafür in Frage zu kommen. Atemlos, irgendwann, die Erlösung. Besetzung klar, alles in der Kiste. Die Kritiken? Naja. Spiegel online titelte sie mit „Der kleine Eros möchte in der Bettenabteilung abgeholt werden.“ Die FAZ schrieb: „Vergiss die Peitsche!“ Sowie: „Dieser Unfug tut weh, fesselt aber kein bisschen. Soll das wirklich der Stand des Schmuddel-Entertainments im dritten abendländischen Jahrtausend sein?“ Weiters „Die Welt“, die ihre Kritik dem Titel „Ein Film, der nach pH-neutralem Duschgel riecht“ folgen ließ, mit Aussagen wie diesen: „Ach so. Der Sex. Findet statt. Er ist sauber, er ist sicher, er riecht nicht.“ Man müsse danach was tun, um seinen Verstand wieder in Ordnung zu bringen. Nur Zeit online entrierte ungewohnt milde, schrieb gar vom „erwarteten Höhepunkt“, um dramatisch zu schließen: „Zeig mir das Schlimmste, was du mir je zufügen würdest’, verlangt da Ana von Grey. Dann endet der Film beinahe unerträglich offen.“ Das „offen“ hätte man aus meiner Sicht gerne weglassen können. Umso mehr freue ich mich auf „50 Shades of Himbeere“.

gabriele.kuhn@kurier.at

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