Alles ist gut
ustig hin, lustig her, das muss jetzt einmal gesagt werden: Ich will nicht zum Life Ball. Aber das hat nur einen einzigen Grund: Ich habe Angst vor vielen Menschen, vor Gedränge, vor dem Gefühl, keine Luft zu bekommen. Heißt also auch: Ich will nicht zum Opernball, will nicht zum Jägerball, will auf gar nix, wo sich’s drängt und schwitzt. Aber was ich sonst will, verbindet sich sehr schön mit dem Gedanken des Life Balls: Leben. Und zwar bedingungslos. Dazu gehört, dass man das "Andere" gedeihen lässt. All das, was nicht ins Schema des Üblichen, Gewohnten, des Tradierten und "So-muss-es-sein-so-war’s-immer-schon"– Gedankens passt. Dass Obama jetzt die Homo-Ehe akzeptiert, finde ich wichtig. Weil es immer noch allzu wenige kapiert haben: Es ist die Liebe, die zählt. Die Lust daran, einem anderen Menschen zu begegnen. Und nicht der Eizellen-Spermien-Outcome im Sinne kirchlich verordneter Fortpflanzung.
Da fällt mir eine Szene ein, die ist lange her – mein Sohn war noch ganz frisch. Ein paar Leute saßen beim Heurigen und diskutierten, ob sie damit leben könnten, würde ihnen ihr Sohn oder ihre Tochter offenbaren, er/sie sei nicht heterosexuell. Daneben standen Kinderwagen mit unschuldigen Windelscheißern, deren Langzeit-Entwicklung gewissermaßen noch in den Sternen stand. Wir wissen ja nicht so genau, ob und wie das Kind eines Tages lieben und leben wird. Und wenn die 20-Jährige irgendwann einmal findet, sie müsse mit ihrem neuen Lover unbedingt mal einen Darkroom ausprobieren, geht’s uns genau nix an. So was nennt sich schlicht "try & error" – Entwicklung ist das Ergebnis von Experimenten. Wenn daraus ein Lebens- und Liebeskonzept entsteht, das zufrieden und satt macht – soll es so, nein, muss es dann auch sein.
Was an diesem Heurigenabend mit Anhang geredet wurde, war mitunter gruselig – liebende Mütter begannen beim Gedanken daran, ihr Sohn könne ihnen in 17 Jahren gestehen, er sei anderen Männern zugeneigt, zu transpirieren. Und manche Väter! Sie nippten an ihren Gspritzten und wehrten ab – gar nicht dran denken, wäh. Hallo, warum nicht?
Ich habe mir zum Thema Kinder allerlei "Was wäre, wenn"-Varianten zusammenfantasiert – bin stets zu dem Schluss gekommen: Das meiste davon ist gut, wenn es für die Kinder gut ist. Alles ist gut, wenn sie kommen und strahlen, Glück fühlen. Egal wie, wofür oder wogegen sie sich entscheiden, da haben die Eltern dazustehen und ja zu sagen. Ja, das ist dein Leben – lebe es und tu, was du tun willst und nicht musst. Genau sowas in der Art habe ich damals auch in die Runde gefegt – Himmel! Ein Teil der Anwesenden sah mich an, als hätte ich mich als zoophil oder Drogendealerin für Kleinkinder geoutet: "Ah, die Frau Gscheit, nie würdest du das so locker sehen. Nie."
Nun, was soll ich sagen: Ich habe den Gegenbeweis nicht antreten können (manche würden sagen "müssen"), aber ich bin immer noch – nicht nur retrospektiv – entsetzt, wie sehr sich mangelnde Toleranz und Offenheit gegenüber dem "Anderen" in die Nischen des Zusammenseins schiebt. Es könnte – anders gedacht, anders gemacht – so vieles so viel besser sein. Nicht nur in der Liebe.
gabriele.kuhn(at)kurier.at
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