Unterm Baum
Schenk mir, liebes Christkind, mehr Zeit.
Heute Abend in der Regel alles paletti: stille Nacht, lockiges Haar, Fisch, Vogel, Nintendo 3DS, sprich: leuchtende Kinder- und feuchte Elternaugen. Leider weißt du dann spätestens zu Stefani nicht mehr, wie du neben deiner Arbeit schon wieder zwei Wochen mit schulfreien Kindern hinkriegen sollst. Das wirkt sich intrafamiliär auf die Atmosphäre aus: - Kannst du bitte, wenn ich schon für deine gesamte Verwandtschaft koche, ein Mal die Kinder nehmen und mit ihnen an die frische Luft gehen, statt nur vor dem Computer zu sitzen!-Und wann soll ich meine eMails erledigen, wie du weißt, komme ich wegen der Kinder die nächsten fünf Tage nicht in die Arbeit! - Apropos, ich muss später auch noch einmal kurz ins Büro.- Aha, wenn am Feiertag dein Chef ruft, springst du, und ich kann mit den Kindern wieder einmal den ganzen Tag allein ... Usw., usf.Weil also in den österreichischen Kleinfamilien in den kommenden Tagen unter o Tannenbaums treuen Blättern der ein oder andere Satz über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fallen wird, hier zu dem Thema meine ehrliche Meinung als Lehrer & Vater: leider zunehmend un.ver.ein.bar! Karriere & Kinder, okay, das ist schon vorher nicht gegangen, außer so: der eine die Karriere, die andere die Kinder. Aber wo heute Eltern auch nur einigermaßen berufstätig sind – von Alleinerzieherinnen rede ich gar nicht, diesen Heldinnen des Alltags – , dort ist Dauerstress gang und Überforderung gäbe. So schnell kannst du gar nicht schauen, haben plötzlich die Kinder die feuchten Augen, aber nicht vor Freude. Übertreibe ich? Klar übertreibe ich, damit mich das Christkind auch ernst nimmt. Hier nämlich, quasi last minute, mein Wunsch für unter dem Baum: Schenk mir, liebes Christkind, mehr Zeit. Du brauchst ja gar keine erfinden, nimm sie einfach denen weg, die sie m i r dauernd wegnehmen, und zwar meist mit dem Argument, dass irgendwer oder -was sonst total zusammenbrechen würde. Andersrum gewünscht: Mach, liebes Christkind, die Zeit, in der wir leben, höflich darauf aufmerksam, dass uns unsere Kinder mehr brauchen als der Arbeitsmarkt.
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