Winterliche Aufgehunfälle

Niki Glattauer

Niki Glattauer

Bis das, was früher ein anständiger Fußgängerfließverkehr war, vollends zum Erliegen gekommen ist

von Niki Glattauer

über Fußgänger und Handys

Am schlimmsten empfinde ich den Straßenverkehr im Winter. Aber jetzt nicht, was du denkst: die eingeschneiten Autos oder die rutschigen Fahrbahnen. Ich rede vom F u ß g ä n g e r verkehr. Und von unserer Smart-Trottel-Gesellschaft. Im Winter haben ja die meisten Menschen Handschuhe an. Da heißt es also, wenn man seinen ST benutzen will, Handschuh runter, ST raus aus der Jacke. Die Finger sind natürlich ruckizucki steif, und so tippt jede fünf Mal daneben, bevor das Wetter-app endlich aufgeht, das ihr verrät, dass es dort gerade schneeregnet, wo sie die ganze Zeit schon im Schneeregen geht. Das heißt, wenn sie gehen würde … Was sie nämlich nicht tut, weil sie vor lauter Schauen zum Weitergehen vergessen hat. Und rundherum die anderen, die bis unter die Hirnrinde mit Öffnen, Touchen und Ziehen beschäftigt sind, genauso. Bis das, was früher ein anständiger Fußgängerfließverkehr war, vollends zum Erliegen gekommen ist.

Das schreibe ich mit dem Unbehagen des Öffi-Benutzers, der sich ausmalt, wie er heute im morgendlichen Wiener Semesteranfangstoßverkehr wieder in die stumme Masse an Bus, Bim und U-Bahn fahrenden Smart-Trottel-Zombies eintauchen wird, die weder links noch rechts schauen, die nicht ausweichen, wenn eine schneller daherkommt, die nicht beschleunigen, wenn sich ein Loch auftut, die vor deinen Augen mental einfrieren, weil sie nur noch mit jener Welt beschäftigt sind, die sie beidhändig via Display vor sich herschleppen. Schreib ich auch deswegen, weil jetzt in Wien ganze Bezirke dazu übergehen, in der Schule das Handy zu verbieten. Statt dass man den Kinder beibringt, es dort vernünftig zu gebrauchen – und dafür z. B. beim Gehen auf der Straße eingesteckt zu lassen. Aus verkehrstechnischen Gründen. Und aus solchen der Psychohygiene.

– Warum schauen Sie heute so angefressen, Herr Lehrer?

– Weil ich heute früh noch vor meinem ersten Kaffee bereits zehn Aufgehunfälle hatte.

– Aufgeh…was?

– Vergiss es. Und steck deinen Smart-Trottel weg, bevor ich irrtümlich draufsteig.

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