Sprache im Wandel

Nein, Frau Kollegin S., ich mache mich nicht über die Kinder lustig, wenn ich schreibe, dass sie nicht wissen, was eine Kuckucksuhr ist. Weiß ich vielleicht, was das rote Ei ist, das bei der Hälfte meiner Kinder in den Wohnungen hängt? (Klar weiß ich es. Jetzt.) Jedenfalls passiert es nicht nur e i n Mal, dass ich von den Kindern etwas lerne. Beispiel Werken, technisch:

– Sanela, da musst du den Schraubenzieher nehmen, nicht die Feile, und zwar den …

– Ich weiß eh, ich bin ja nicht blöd. Den Minus?

– Was heißt den Minus? Einen Schrau-ben-zie-her, Sanela, zum Hineinschrauben der Schrauben!

– Ja eh, Oida!

Und hält mir trotzig mit der Rechten den Kreuz- und mit der Linken den Schlitzschraubenzieher unter die Nase. Bis ich begreife, dass die alle den Kreuzschraubenzieher Plusschraubenzieher nennen und den Schlitzschraubenzieher Minusschraubenzieher. Wegen eigentlich eh klar. Das nenne ich Sprache im Wandel. Der mich zu der sogenannten "vorwissenschaftlichen Arbeit" (VwA) einer angehenden Maturantin führt (WRG/ORG der Franziskanerinnen Wels), die für ihr Thema "Ich kann nicht Kino gehen. Weil ich muss lernen. – Schreibverhalten von Jugendlichen in den neuen elektronischen Medien" u. a. mich interviewt hat. Was sich in der fertigen Arbeit dann so liest:

Interviewerin: (…) Es gibt Sachen, die man einfach nicht mehr ausschreibt. So z. B. wird "vielleicht" fast nicht mehr ausgeschrieben, das ist nur noch v l.

Glattauer: Aso.

Interviewerin: "Oder nicht" wird bei uns oft mit n d so abgekürzt.

Glattauer: Aha.

Interviewerin: Ich find’s ganz lustig.

Glattauer: Also ihr kürzt "oder nicht" mit ned ab?

Interviewerin: Nein, es ist praktisch nur ein n und ein d.

Glattauer: I kum heid ned. Da würdest du n d schreiben?

Interviewerin: Nein, da würd ich ned schreiben. (...) Aber Kuchen mag i ned so wie Eis. Da ist das "so". Da würde ich n d schreiben. Da ist die Betonung bei dem I kum heid n d, ned so.

Ehrlich, so viel Wandel muss jetzt auch wieder nicht sein :-)