Romeo und Julia, 13

Gesichter einer Schule
Die berühmteste Liebende der Weltliteratur, Mutter aller tragischen Liebesgeschichten – ein pubertierendes Fräulein.

Frage vor einiger Zeit in der Promi-Millionenshow: "Wie alt ist Shakespeares Julia?" Bevor ich die Lösung verrate, Wikipedia: "Romeo und Julia – eine 1597 veröffentlichte Tragödie von William Shakespeare. Sie schildert die Geschichte zweier junger Liebender, die …", usw. Zweier junger Liebender, und jetzt taramtatam: Julia Capulet ist 13!

Drei-zehn! Steht so mitten im Buch: … Julia, die noch keine 14 Jahr gesehen hat, usw. Die berühmteste Liebende der Weltliteratur, Mutter aller tragischen Liebesgeschichten – und dann haben wir es mit einem pubertierenden Fräulein zu tun, wie es bei uns vielleicht in eine 3B ginge, in Bio den Regenwurm immer noch nicht kann und es seit Wochen eigentlich ur arg findet, dass es Woki mitm Popo nicht geschafft hat, voll unfair, Oida!

Und gleich noch eine neue Erkenntnis: Offenbar liest niemand mehr Welt­literatur, denn keiner, den ich kenne, wusste die richtige Antwort, mich eingeschlossen. Weil ich "Romeo und Julia" nämlich nie gelesen habe. Ehrlich gesagt, auch sonst keinen Shakespeare, und wenn wir schon dabei sind: Goethes "Faust", Manns "Buddenbrooks" und Kreiskys "Mann ohne Eigenschaften" :-) auch nicht, dafür viel Grass, und Grillparzers "Libussa" aus lauter Begeisterung gleich zwei Mal, aber das ist eine andere Geschichte. Auf die Interview-Frage, welche Bücher er gern lese, meinte der mir von Geburt an gut bekannte Bestsellerautor Daniel G. gar einmal kokett: "Keine, ich schreibe lieber welche."

Zurück zu Julia: Kriegt eine Kollegin mit, dass Sarah ihre HÜ nicht macht. Motiv: Kummer mit Mario!

Kind, mach jetzt bitte nicht auf Julia!

– Auf wen?

– Romeo und Julia.

– Wieso Romeo? Mario heißt er, und in welche Klasse geht die Schlampe?

Ein Fall für die Zentralmatura wäre Sarah aber eh nie geworden.

Niki Glattauer ist Lehrer und Autor

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