Quoten & Noten, 2

Auf das Mail einer AHS-Lehrerin, die darüber klagte, dass in Wien Volksschulkinder ohne lauter Einser kaum Chancen hätten, in ein Gymnasium zu kommen, mailte mir Leser Volker P.: „Mitleid unangebracht. Kinder, die sich bei Prüfungen ansch... statt Einsen zu machen, haben an einer Höheren Schule nichts verloren.“

Einsen. Der Mann meinte Einser, aber egal, an das traurige Prozedere, um zu einer Schulnote zu gelangen, erinnert sich jeder gelernte Ex-Schüler: Die Körpertemperatur steigt; der Puls wird schneller; die Muskeln spannen sich; das Blut verdickt; das Denken setzt aus.

Ist für das Erreichen von Einsen natürlich kontraproduktiv, wenn das Denken aussetzt. Fädelte nämlich unlängst sogar 1er-Schüler Laurin ein, als er Henry Dunant sagen sollte, aber im Prüfungsstress das Tor verwechselte.

– Laurin, sag uns, wie hieß der Gründer des Roten Kreuzes? ... Henry ... Du...

– Dupont.

Aber jetzt pass auf: Alle die links beschriebenen Körperreaktionen sind Tausende von Jahre alt. Sie waren lebensnotwendig, um in Situationen von Angriff (Säbelzahntiger, Nebenbuhler, UFO) fliehen oder kämpfen zu können. Die Körpertemperatur steigt, weil auf diese Art schnell Energie bereitgestellt wird; der Puls beschleunigt, damit die Muskeln Sauerstoff bekommen; die Muskeln spannen sich, um Reaktionszeiten zu verkürzen; das Blut wird dick, damit es bei Verletzung schneller gerinnt; das Denken setzt aus, weil du ansatzlos reagieren solltest. Das Einzige, was du seinerzeit nicht durftest, war „einfrieren“.

Ganz anders, wenn es heute um Einsen geht. Die kriegst du nur, wenn du genau das schaffst: einzufrieren. Oder anders gesagt: cool zu bleiben. Was ich damit sagen will, Herr Volker P.: Machen wir uns nicht über jene lustig, die sich bei Prüfungen „ansch...“ und damit höchst menschlich reagieren, verzichten wir stattdessen in Zukunft lieber auf die dämliche Methode, kognitive Leistungen festzustellen, indem wir, wenn auch unbewusst, Säbelzahntiger- oder UFO-Attacken simulieren.