Mobbing: Folter in der Schulklasse
Jeden Tag erlebt Tim in der Schule das gleiche Szenario: In der großen Pause, wenn er in den Hof geht, wird er von einigen Mitschülern gehänselt, weil er "uncool" ist. Mobbing ist weit verbreitet. Tatorte sind meist Schulen und Büros, Täter sind Mitschüler, Kollegen und manchmal sogar Lehrer. Wer bereits im Kindesalter mit Ausgrenzung zu kämpfen hat, braucht eine dicke Haut, um diese Zeit möglichst unbeschadet zu überstehen.
KURIER Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger erklärt, warum Mobbing in der Schule so häufig ist: "Die Schule stellt für Jugendliche eine Art ‚Übungsplatz‘ dar, an dem sie lernen, Konflikte auszutragen." Vielen Jugendlichen fällt es schwer, mit Meinungsverschiedenheiten und abweichenden Interessen umzugehen. Jemand, der auffällt oder aus der Masse heraussticht, ist dann ein willkommenes Opfer. Nicht selten mobben Kinder andere Kinder, um von ihren eigenen Makeln abzulenken. Wenn über jemand anderen Gerüchte kursieren, beschäftigt sich kaum jemand mit demjenigen, der das Gerücht in die Welt gesetzt hat.
Macht
Wo beginnt Mobbing? Es ist zwischen einem einmaligen Konflikt und immer wiederkehrendem Mobbing zu unterscheiden. Leibovici erläutert: "Ein Streit ist die Reaktion auf alles, was über das eigene Harmoniebedürfnis hinausgeht. Wenn dann verschiedene Ansichten aufeinanderprallen, kommt es zu einer Überreaktion und man streitet." Mobbing passiert regelmäßig und unterscheidet sich so von einem Konflikt. Es äußert sich meist in systematischer Ausgrenzung gewisser Personen, in der Bildung einer "Hackordnung" oder eines Machtgefälles in der Klasse. Der Familycoach unterstreicht: "Kurz gesagt ist Mobbing die ständige, konkrete Machtausübung und Abwertung eines anderen."
In der Pubertät sind viele Jugendliche besonders ihren Eltern gegenüber sehr verschlossen. Wie erkennen Vater und Mutter, dass ihr Kind nicht nur pubertiert, sondern gemobbt wird? Die oberösterreichische Familienpsychologin Klara Hanstein erklärt: "Viele Betroffene wollen nicht mehr in die Schule und erfinden körperliche Symptome." Dieses Verhalten gehe meist mit einem Abfall der schulischen Leistung einher. In schlimmen Fällen kommt es in der Folge zu Albträumen und Angstzuständen. Das Kind zieht sich extrem zurück, wirkt sehr häufig traurig und freudlos, der gesamte Alltag wird von negativen Gefühlen bestimmt.
Situationen abschätzen
Viele Eltern sind sich nicht sicher, was zu tun ist, so sich ihr Verdacht bestätigt. Hanstein empfiehlt: "Handeln sollte man dann, wenn das Kind regelmäßig von unguten Situationen erzählt." Auf keinen Fall sollten sich Eltern davor scheuen, den Klassenlehrer und in schlimmeren Fällen auch die Schuldirektion zu informieren. Hanstein betont besonders: "Das Kind muss von seinen Eltern ernst genommen werden, wenn es häufig nicht zur Schule gehen will, Albträume hat oder oft krank ist. Von der Schule Hilfe einzufordern, ist dann sehr wichtig." Wenn die Schule einmal eingeweiht ist, können die Vorfälle auch von Klassenvorstand oder Schulpsychologen innerhalb der Klasse thematisiert werden. Die möglichen psychischen Folgen der Opfer sollten im Rahmen dessen ebenfalls besprochen werden.
Einer noch heikleren Situation sehen sich Eltern gegenüber, wenn einer der Lehrer das Kind mobbt. Eltern haben die Angst, dem Schulalltag ihres Kindes noch mehr zu schaden, wenn sie den betroffenen Lehrer darauf ansprechen. Dieses klärende Gespräch sollte aber unbedingt gesucht werden. Sollte es auf diesem Weg zu keiner Einigung kommen, rät Hanstein: "Wenn keine Einsicht voneiten des Lehrkörpers vorhanden ist, muss als nächster Schritt die Direktion verständigt werden." Während der gesamten Zeit sollten sich die Eltern bei ihrem Kind immer wieder nach der derzeitigen Situation erkundigen, um positive wie negative Veränderungen mitzubekommen. "In manchen Fällen kann die Klassendynamik allerdings weder durch das Eingreifen der Eltern noch der Lehrer verändert werden", so Hanstein. "Um das Mobbing-Opfer zu schützen, sollte dann ein Klassen- oder Schulwechsel angedacht werden." Stärkend für das Kind ist es, die Unterstützung seiner Eltern zu spüren. "Eltern dürfen bei diesem Thema nicht wegschauen", betont Familycoach Leibovici.
KURIER-Familycoach-Telefonsprechstunde: Montag, 13 bis 15 Uhr, 01/526 57 60
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