Viel wirkungsvoller als bravarbeitengehen sind z. B. Networking & Socializing

von Niki Glattauer

über die Überbewertung der Erwerbsarbeit

Als ich bei einem Symposion „Arbeit durch Bildung“ eines der Impulsreferate hielt, musste ich nobel verschweigen, dass ich ja Erwerbsarbeit für schwer überbewertet halte. Dass einer nur dann etwas taugt, wenn er brav arbeiten geht (oder sie), bzw. man im Leben nur mit redlicher Arbeit erfolgreich sein kann, wäre zwar nett, ist aber gleich nach der Behauptung von der Existenz der vier Jahreszeiten die größte Lebenslüge unserer Breiten. Viel wirkungsvoller als bravarbeitengehen sind z. B. Networking & Socializing. Schleimen sagen meine Schüler dazu.

– Herr Lehrer, Mirko findet Geschichte bei Ihnen gar nicht cool. Er hat mir gesagt, er findet es ur fad und sinnlos. Und wenn er Sie fragt, wie das war, als Hannibal Lecter vor Rom gekommen ist, tut er nur bei Ihnen schleimen.

– Aha. Und wie findest d u Geschichte, ehrlich.

– Ich finde es auch ur fad und sinnlos.

– Weißt du was, schleimst du bitte in Zukunft auch bei mir?

Aber zurück: Leider nutzt einem die Erkenntnis von der Überbewertung der Erwerbsarbeit nicht viel. So kaputt kann der Markt gar nicht sein, dass er nicht nach Arbeitskraft giert, und da die Sklaverei zumindest de jure inzwischen abgeschafft wurde (wie es de facto ist, kann man in Sybille Hamanns Putzfrauenreport „Saubere Dienste“ nachlesen), gehen a) immer mehr von uns für immer weniger Geld erwerbsarbeiten und lassen sich b) auch noch einreden, das habe etwas mit Selbstbestimmung zu tun. Worauf ich hinaus will: Wir Lehrerinnen sehen gerade ohnmächtig dabei zu, wie die Erwerbsarbeitsverwahrlosung um sich greift. Zehntausende Kinder allein zu Haus, Tendenz steigend. Bis hier Schubumkehr einsetzt, sind Betreuungsplätze und 7-to-5-Schulen dringend erforderlich, nämlich weil da immer mehr sind, die sie b r a u c h e n.

Nur weil da jetzt im Fernsehen die „engagierte Mutter“ soundso aus Baden gemeint hat, an den äußeren Strukturen liege es bei erfolgreicher Bildungsvermittlung nicht, sondern eh klar an den Lehrern, und nachmittags seien „Kinder zu Hause am besten aufgehoben.“ Ja, ihre 1,4 in Baden vielleicht. Mit Garten.

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