Im VIP-Bereich

Penetranter kannst du ja die aktuelle Zwei-Klassen-Gesellschaft nicht darstellen als durch den sogenannten „VIP-Bereich“. Ob Premiere, Vernissage, After-irgendwas-Party, oder schlicht Kaufhauseröffnung – keine Veranstaltung (neusprachlich: Iwent) kommt heute mehr ohne ihn aus, jenen Bereich, an dem Otto-Normalgast höflich vorbeigewunken zu werden pflegt, damit er Ex-Katzis aus Litauen, Ex-Moderatorinnen aus dem ORF, Ex-Teamtorhüter aus Hütteldorf oder Dancing Halbstars in spe nicht groß stört, wenn diesen dort Sekt (statt Eistee-Pfirsich) und Lachstramezzini auf Stoffservietten (statt Krakauerbrötchen auf Papiertaschentüchern) kredenzt werden.

Als jetzt der neue Kindergarten meines Sohnes Daniel, 4, nach einem halben Jahr Betrieb feierlich eröffnet wurde (Verein KIWI; Wien 13), hab ich geglaubt, Aprilscherz. Weil sogar dort – VIP-Bereich!

Im offiziellen Teil noch alle im selben Boot. Nette Begrüßungen, Kinderchor, ein Dutzend Smartphones im Aufnahmemodus , leuchtende Altväteraugen, eh schon wissen. Aber nach nicht einmal 20 Minuten das große Schisma. Während das Volk in Gestalt der Eltern, Kinder sowie deren Gärtnern und Gärtnerinnen zu ebener Erd’ zu Saft und Kuchen gebeten wurde, setzte der Auftrieb der Ehrengäste (von der Frau Vorstand bis zum Herrn Baumeister) zum kaltgestellten Sekt im 1. Stock ein.

War ich natürlich schon angespeist. Und ohne viel Dings gleich wieder im Wintermantel (bekanntlich war in Österreich vor Kurzem noch Winter). Und jetzt pass auf: Fast schon zur Tür hinaus höre ich, wie der Bezirksvorsteher nach oben gebeten wird: „Herr Bezirksvorsteher, wenn ich Sie hinaufbitten dürfte, oben ist der VIP-Bereich.“ Da sagt der Mann – lasset uns Bürgerinnen und Bürger des 13. Bezirks stolz seinen Namen nennen – sagt BV Heinz Gerstbach: „Der VIP-Bereich ist dort, wo die Kinder sind“ – und dreht sich wieder den Eltern zu. Hab ich den Mantel jetzt zwar trotzdem nicht mehr ausgezogen, aber gut aufgelegt war ich schon Tage, bevor dann der Frühling ins Land gezogen kam.