Gesichter einer Schule
Die Neulandschule in Wien-Favoriten. Seit Kurzem kann man ein Buch kaufen, in dem sich ein früherer Schüler dieses Traditionsgymnasiums an Ohrfeigen und Folter erinnert, z. B. daran, wie einen die Erzieher zwangen, Erbrochenes wieder aufzulöffeln. Im KURIER schrieb Peter Pisa über den Roman: "Er schont niemanden. Er klärt auf. Ist Dokument." Einen Namen nennt er auch, den des gefürchteten Heimleiters, Friedl Menschhorn († 2006). Ich war auch Schüler dieses Gymnasiums, fünf Jahre nach den geschilderten Vorfällen, genauso wie mein Bruder Daniel eine Klasse unter mir. Acht Jahre haben wir jeder in der "Neuland" verbracht, bis zur Matura. Und daher jetzt dringend Gegendokument: Bei uns keine Ohrfeigen. Keine Folter. Folter höchstens DG. Und Erbrochenes nur, wenn beim Feiern mit den Neuländerinnen aus unserer Schwesternschule in Döbling einer geglaubt hat, ein Mann wirst du erst nach zehn Cola-Rot. Stattdessen ein Direktor, der mit den Perry-Rhodan-Lesern unter uns über das Universum philosophierte. Ein Mathe-Lehrer, der den Sohn des Schneiders zur Seite nahm: "Sei stolz darauf, dass dein Vater ein kleiner Arbeiter ist. Menschen, die sehr viel Geld haben, haben es meistens, weil sie es anderen wegnehmen." Ein Religionslehrer, der mich nach einer vergurkten Schularbeit "Cream live" hören ließ. "Mir würde das jetzt auch mehr helfen als der liebe Gott." Heute brüderliche Vergangenheitsaufarbeitung:- "Hast du je gesehen, dass einer Erbrochenes aufessen musste?" - "Soweit ich mich erinnere, hat das Reisfleisch vorher schon so geschmeckt." Ach ja, Friedl Menschhorn gab es zu meiner Zeit auch noch. Im Ausgedinge seines Gemüsegartens. Wenn er brüllte, weil wir ihm die Äpfel vom Baum schossen, lachten ihn sogar die Erstklassler aus. Niki Glattauer ist Lehrer und Autor.
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