Expertenrat: Sprache als Teil der Schulreife

Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration
Die Schulreife kann derzeit nur aufgrund körperlicher, intellektueller und sozioemotionaler Merkmale verweigert werden.

Ein "erhebliches Defizit an Verbindlichkeit" weist das System der schulischen Sprachförderung laut einem ersten Analysepapier aus dem Staatssekretariat für Integration auf, mit dem der Expertenrat für Integration unter Vorsitz von Heinz Fassmann befasst ist. Das Gremium soll noch im Herbst Vorschläge zum Thema Integration und Bildung vorlegen. Als problematisch wird im Papier die Beurteilung der Schulreife und die daran anknüpfende Regelung über außerordentliche Schüler, die auch ohne Sprachkenntnisse am regulären Unterricht teilnehmen, bewertet.

Derzeit erfolgt die Beurteilung der Schulreife anhand körperlicher, intellektueller und sozioemotionaler Merkmale. Fehlende Deutschkenntnisse sind dagegen kein Grund für ein Verweigern der Schulreife und die damit verbundene Möglichkeit des Besuchs einer Vorschulklasse. Schulreife Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse werden dagegen als "außerordentliche Schüler" geführt und grundsätzlich in den Regelklassen unterrichtet. "Selbst unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Sprachunterrichts, der `maximal` im Ausmaß von elf Wochenstunden erfolgen kann, weist das System insgesamt ein erhebliches Defizit an Verbindlichkeit auf", heißt es im Analysepapier.

"Ohne Sprache ist einmal nix"

Der Leiter des Jüdischen Bildungszentrums Wien, Ilan Knapp, im Rat für Bildungsfragen zuständig, betonte die überragende Bedeutung der Sprache bei der Integration. "Wenn ich mein Gebiet verlasse und anderswo hinkomme, sind die `Codes` dort andere. Das wird jeder sehen, der auf Urlaub oder auch nur von Wien nach Vorarlberg fährt. Und wesentlichster `Code` ist die Sprache: Ohne Sprache ist einmal nix - ich habe keine Möglichkeit mich auszutauschen, ich bin abgegrenzt und gettoisiere mich."

Kleinkinder sollten in einem neuen Land daher so rasch wie möglich in eine Kindergruppe gehen, wo sie sich mit im Land geborenen Kindern austauschen können. Zusätzlich könnten noch separat zusätzliche Stunden etwa mit einer türkischstämmigen Kindergärtnerin angeboten werden, um bestimmte Begriffe in beiden Sprachen zu vermitteln.

Förderjahr und Crashkurse

Im Schulbereich plädiert Knapp bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen für ein Förderjahr als eine Art "Schleuse" vor dem vollständigen Eintritt in die erste Schulstufe, später Zugewanderte sollen Deutsch-"Crashkurse" absolvieren. In dieser Zeit sollten Kinder mit Sprachproblemen aus der Stammklasse herausgenommen werden und etwa im Nebenraum, jedenfalls aber in der Schule Sprachförderung erhalten. Umgekehrt sollten sie aber in jenen Fächern wie Turnen, Werken oder Zeichnen, die keine umfassenden Deutschkenntnisse verlangen, so viel als möglich am Unterricht der Stammklasse teilnehmen bzw. in ihrer Sprachfördergruppe ab und zu "Besuch" von der Stammklasse erhalten. Je nach Verbesserung der Sprachkenntnisse könnten die Kinder dann stufenweise immer mehr am Fachunterricht in der Klasse teilnehmen - Kinder ohne jegliche Deutschkenntnisse würden zunächst zu 100 Prozent statt des Regelunterrichts sprachlich gefördert.

Für diese Art des Unterrichts bedürfe es nicht zuletzt Änderungen in der Lehrerausbildung, um die Pädagogen für dieses "modulare Ausbilden" fit zu machen, meinte Knapp. Das Motto dabei sei: "Jeder ist seine eigene Klasse." Das derzeitige System der Sprachförderkurse hält er für nicht flexibel genug. Und natürlich brauche die Umstellung wohl zusätzliche Lehrer: "Aber wo ist das Geld besser investiert?"

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