Als ich in Favoriten Kind war ...

Niki Glattauer

Niki Glattauer

Die Lehrerinnen in Bezirken wie Favoriten müssen sich dafür doppelt anstrengen.

von Niki Glattauer

über Deutsch-Unterricht

Der Hinweis "auf die Mutation Favoritens von einem Wiener Arbeiterbezirk in einen Ausländerbezirk der Arbeitslosen" habe ihm gefallen, mailt Leser G. Schnögl. Und: "Ich verstehe die Mutter, die ihr Kind woanders in die Schule geben möchte. Wenn ich noch schulpflichtige Kinder hätte, würde ich sie auch nicht mehr hier in die Schule geben."

Herr Schnögl, ich kann Sie verstehen, auch wenn Sie in der Sache irren. Mein Sohn geht in Inner-Favoriten in die Volksschule und zwar in die öffentliche, indigene Österreicher 10 Prozent. Und wissen Sie was? 1A-Mitschüler, 1A-Lehrerinnen, 1A-Elternverein, 1A-Kommunikation. 1A-Unterricht. Mein Bub wird dort um nichts weniger gut (aus)gebildet als seinerzeit meine Tochter, die ihre Volksschulzeit in einer katholischen Privatschule in Döbling verbracht hat. Der Unterschied: Die Lehrerinnen in Bezirken wie Favoriten müssen sich dafür doppelt anstrengen. Warum? Weil sie so gut wie kein ordentlich Deutsch sprechendes Kinder mehr in ihren Klassen haben. Gingen mein Bruder und ich heute dort in die Volksschule, wo wir vor 50 Jahren in die Volksschule gegangen sind – VS Laimäckergasse –, würden wir den Anteil der Kinder mit "anderen Umgangssprachen" auf 99 Prozent senken. Und überall im Bezirk dasselbe. Volksschule soundso: 260 Schüler, davon elf mit deutscher Erstsprache. Campus soundso: in der NMS 50 Lehrerinnen, 400 Schüler, davon 96 Prozent mit fremder Umgangssprache. Eine Deutschlehrerin schreibt mir: "Ich unterrichte nicht mehr Deutsch, ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache."

Schon als ich im Favoritner Gemeindebau Kind war, wohnten hier Familien mit Anspruch auf eine Gemeindewohnung, auf den Nachbarstiegen jene des späteren Burgtheater-Stars Wolfgang Gasser, des Philharmonikers Fritz Kerry, des späteren Austronauten Franz Vieböck, des FPÖ-Gemeinderats Eduard Schock, usw. Und gut verteilt auch ein paar Gastarbeiterfamilien. Und heute? Zum Großteil eh liebe Menschen. Die Kinder der gefühlten 17 türkischen und 17 Ex-Jugoslawischen Familien auf meiner Stiege halten mir die Tür auf, grüßen, sind super nett. Eh ... Wie gesagt, Herr Schnögl, ich kann Sie verstehen.

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