Schöttel: Fliegende Holländer

Schöttel: Fliegende Holländer
Querpass: Null Punkte für die Niederländer - wenn das Ego größer als die Klasse ist.

Die neunte EM-Teilnahme endete für die niederländische "Elftal" mit einem kapitalen Bauchfleck, der Vizeweltmeister der WM 2010 verabschiedet sich ohne einzigen Punkt sang und klanglos aus dem Turnier. Schon nach der Auslosung der Gruppe mit vier Mannschaften aus den Top-Ten der FIFA-Weltrangliste (3. Deutschland, 4. Niederlande, 9. Dänemark, 10. Portugal) war klar, dass für zwei Topteams nach den Gruppenspielen Schluss sein muss.

Nach Russland verabschiedete sich somit ein weiterer Mitfavorit schon sehr früh aus dem Turnier. Über die Rolle Hollands wurde schon vor dem Turnier heftig diskutiert. Die einen zählten sie aufgrund der überragenden individuellen Klasse der Offensivspieler zu den Favoriten. Die anderen wiesen früh darauf hin, dass die Defensivabteilung bei Weitem nicht mit den Weltklassespielern im Angriff mithalten könnte. Ich tat mir schwer, dieses Team in meinem Ranking einzuordnen.

Umso klarer war dann, dass es vor allem ein Problem gibt: Das Ego des einen oder anderen Stars war im Moment viel zu groß, um als Mannschaft erfolgreich zu sein. Wer alle drei Spiele gesehen hat, kann dem kaum widersprechen.

In der Abwehr fehlten Bondscoach Bert van Marwijk die absoluten Topspieler, Weltklasseverteidiger wie Rijkaard, Koeman oder Stam gibt es im Moment nicht. Dafür sitzen Spieler wie Kuyt, Van der Vaart oder Huntelaar im Normalfall nur auf der Bank, die Konkurrenzsituation in der Kreativabteilung ist enorm. Und wenn Superstars Ersatz sind, geht das nur sehr selten harmonisch ab.

Verdientes Aus

Der Erwartungsdruck ist traditionell sehr hoch. Von dieser Mannschaft wird nicht nur erwartet, dass sie ihre Spiele gewinnt, sondern vor allem, dass sie attraktiven Fußball bietet. Durch den Vizeweltmeistertitel vor zwei Jahren verschaffte sich Van Marwijk zwar Respekt, das schützt ihn aber nicht vor permanenter Kritik von Experten und Fans, die ihr geliebtes 4-3-3 offensiver interpretiert sehen wollen. Er setzte aber weiter auf sein 4-2-3-1, in den ersten beiden Spielen mit den Abräumern Van Bommel und de Jong. Diese können zwar mit ihrer Härte und ihrem strategischen Geschick jedem Gegner die Freude am Spiel nehmen, allerdings waren Van Bommel seine 35 Jahre wirklich anzusehen.

Die Holländer sind verdientermaßen in der Vorrunde ausgeschieden, jetzt gilt es in der Analyse die richtigen Schlüsse zu ziehen. Bis auf Van Bommel und Mathijsen, die ihren Zenit überschritten haben, sehe ich keine Fixabgänge. Künftig sollte neben der individuellen Klasse stärker auf die mannschaftliche Geschlossenheit geachtet werden, um wieder an frühere Erfolge anschließen zu können. Der größte gelang 1988 in Deutschland. Der EM-Titel wurde mit einer wunderbaren Mannschaft gewonnen, aus der noch Rijkaard, Gullit und Van Basten herausragten. Damals verfügten die Holländer – im Gegensatz zu heute – tatsächlich noch über Weltklasse in allen Formationen.

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