Ein Ehrenretter für den Polit-Nachwuchs

Daniela Kittner
Mit Misstrauens-Vorschuss trat Sebastian Kurz sein Amt an. Mit Sacharbeit und Lernfähigkeit erwarb er sich das Vertrauen der Bevölkerung.

Der Jugendsoziologe Bernhard Heinzlmaier packte den Bihänder aus: „Er ist fürchterlich uncharismatisch, kommt überheblich und borniert rüber. Kurz ist der Typus des mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsenen Hietzingers. Reiten, Golf, Prosecco und Opernball wohnt seinem Habitus inne. Er vertritt von seinem Erscheinungsbild her nicht die Jugend.“ Der vorurteilsbehaftete Wissenschaftler hat sich geirrt. Aber auch all jene, die den 24-Jährigen Sebastian Kurz anfangs für „zu jung“ erklärten, um das politisch verminte Feld der Ausländerintegration zu beackern, hat der Staatssekretär eines Besseren belehrt. Kurz konnte die anfängliche Skepsis sehr bald in steigendes Vertrauen umwandeln (siehe Grafik). „Der Wendepunkt war seine Präsentation des Integrationsberichts mit einem Maßnahmenkatalog. Wenn ein Politiker die Sache in den Vordergrund stellt, kommt das gut an. Denn das erwarten sich die Leute“, sagt Karin Cvrtila vom OGM-Institut. „Kurz wirkt nicht als Karrierist, er lebt nicht durch seine Funktion, sondern durch sein Thema. Er arbeitet sachlich, setzt kleine Schritte und verspricht nicht das Blaue vom Himmel“, befundet Politik-Experte Thomas Hofer.

Ein Ehrenretter für den Polit-Nachwuchs
Kurz

Mit einem Wort: Kurz steht für ein Anliegen. Und das ist möglicherweise der entscheidende Unterschied zu den in Verruf geratenen Jung-Karrieristen um Laura Rudas: Kurz sagt, er habe eine „Vision“. Die Vision eines funktionierenden Zusammenlebens. Er habe sich eine Integrationspolitik zum Ziel gesetzt „jenseits der Träumerei, dass es von selbst funktioniert, wenn man nur tolerant genug ist“ und „destruktiver rechter Verhetzung“. Nach Amtsantritt hat er gemeinsam mit Experten Problemfelder definiert, Maßnahmen erarbeitet und diese setzt er Schritt für Schritt um. „Leistung von Migranten anerkennen und Leistung einfordern“, lautet das Leitmotiv. Mit Jahresbeginn sind eine Reihe teils kleiner, aber mit Sachverstand erarbeiteter Neuerungen in Kraft getreten: bei der Arbeitssuche, beim Deutschlernen, bei der Unterstützung von Jugendlichen, Kindern und Frauen.

Lernfähig

Ein Ehrenretter für den Polit-Nachwuchs

Freilich besteht Politik nicht nur aus Sacharbeit, sondern auch aus deren Verkauf. Bei Medienaktionen hat Kurz schon kräftig danebengegriffen. Mit sexistisch-plumpen Plakaten warb der ÖVP-Jüngling für die Nacht-U-Bahn („24 Stunden Verkehr“), mit einem „Geilomobil“ wollte er der verzopften Wiener ÖVP Sex-Appeal verpassen. „Das macht er nicht mehr, diese Lektion hat er gelernt. Diese Lernfähigkeit ist auch Teil des Erfolgsrezepts“, sagt Thomas Hofer.

Kurz sei zwar „kein Superstar“, aber Fallstricke hat er seit seinem Amtsantritt geschickt umgangen. Krawattenlos mit offenem Hemdkragen vermeidet Kurz allzu anpasslerisches Auftreten. Auf einen eigenen Dienstwagen mit Chauffeur verzichtet er. Ist er in den Bundesländern unterwegs, greift er auf den Fahrzeugpool des Innenministeriums zurück, in Wien benutzt er meist die U-Bahn oder geht zu Fuß. Seine klügste Aktion war, etwas nicht zu werden: Chef der zerrütteten und unreformierbaren Wiener ÖVP. Stattdessen wird sich Kurz im Mai der Wiederwahl als Obmann der Jungen ÖVP stellen. Auch dort wird er mit einem Programm antreten. „Die Junge ÖVP will der Politikverdrossenheit und dem zunehmenden Ohnmachtsgefühl etwas entgegensetzen“, sagt Kurz. Derzeit wird auf Funktionärsebene ein Demokratiepaket erarbeitet.

Es wird ein Wahlrecht mit Personalisierung enthalten, Vorschläge für Bürgerbeteiligung auf nationaler und europäischer Ebene sowie neue Medien bis hin zu eVoting einbeziehen. Ein Himmelfahrtskommando hat die ÖVP ihrem Jüngsten im kommenden Nationalratswahlkampf zugedacht. Da soll Kurz in Wien, dem schwierigsten Terrain für die ÖVP, das Ergebnis für seine Partei retten.

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