Höher, schneller, weiter

Natascha Marakovits

Natascha Marakovits

Vier von zehn Volksschulkindern können nicht sinnerfassend lesen. Übertriebener Ehrgeiz der Eltern ist hier Fehlanzeige.

von Mag. Natascha Marakovits

über falsches Leistungsdenken

Ich gebe zu, ich war ein eher unsportliches Kind. Zwar wollte ich immer alles ausprobieren, für mehr als ein paar Reitstunden und einen Tenniskurs hat es aber nie gereicht. Ich wollte weder österreichische Staatsmeisterin im Springreiten, noch das weibliche Pendant zu Thomas Muster werden. Und auch beim Schwimmen hatte ich nicht wirklich Spaß. Während meine Mitschüler ein Abzeichen nach dem anderen holten, hatte ich schon Mühe den Sprung ins Wasser für den "Pinguin" (das Frühschwimmer-Abzeichen) zu wagen.

Stattdessen bin ich lieber auf die Bäume im Obstgarten meiner Oma geklettert. Habe mit meinen Freunden Abfangen, Verstecken oder auch mal Fußball gespielt. Wir sind das ganze Dorf abgelaufen oder haben mit dem Fahrrad unsere Runden gedreht. Ganz allein, nur wir Kinder. Und wir hatten jede Menge Spaß, waren ungezwungen und fühlten uns frei. "Kennen das Kinder heutzutage überhaupt noch?" frage ich mich, wenn ich die Stadtkinder in den Parks, die meist nicht größer als der Innenhof meiner Oma sind, sehe und von ihren Eltern ringsum "bewacht" werden. Ich hoffe es.

Überrascht war ich von der Resonanz im In- und Ausland, den mein Artikel vergangene Woche über den Linzer Juniormarathon ausgelöst hat. Die Reaktionen von Lesern blieben nicht aus. "Du hast den Nerv der Zeit getroffen", hat mir eine Bekannte geschrieben. Um den Lauf an sich ging es ihr dabei gar nicht. Vielmehr meinte sie mit "damit" das Leistungsdenken vieler Eltern, die durch übertrieben Ehrgeiz ihren Sprösslingen den Spaß und im schlimmsten Fall das Kindsein nehmen – ob im Tenniskurs, im Klavierunterricht, beim Ballett oder eben bei einem Kinderlauf.

Noch etwas hat mich in den vergangenen Wochen überrascht, ja schockiert: Vier von zehn Volksschulkindern können nicht sinnerfassend lesen. Übertriebener Ehrgeiz der Eltern ist hier Fehlanzeige. Da wird den Lehrern die Schuld in die Schuhe geschoben. Hauptsache höher, schneller, weiter – aber nicht g’scheiter.

eMail: natascha.marakovits@kurier.at

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