Die Großen

Natascha Marakovits

Natascha Marakovits

'Wir sind die Größten', sagt sie stolz. Zumindest in der Unterstufe.

von Mag. Natascha Marakovits

über den Schulbeginn

"Ab jetzt bin ich kein Baby mehr, ich gehöre jetzt zu den Großen", sagte meine Nichte stolz vor ihrem ersten Schultag. Denn in ihrer damaligen Welt waren Kinder eingeteilt in Babys und die High Class-Kategorie Schulkind. Darüber hinaus gab es nur noch die wirklich Großen – die Erwachsenen. "Die zählen aber nicht, das sind eigene Menschen", erklärte sie.

Schulkinder können nämlich alles, wofür man "die Großen" als Kleinkind bewundert: das lustige Buch selber lesen, anstatt vorgelesen zu bekommen. Mehr als nur den eigenen Namen schreiben und ohne Finger rechnen.

Die Vorfreude auf die Schule war meiner Nichte schon seit ihrem letzten Tag im Kindergarten anzumerken: Anstatt Tränen, weil einige ihrer Freundinnen aus dem Kindergarten in eine andere Schule gehen, gab es an dem Tag beinahe Jubelschreie, weil sie nun nicht mehr zu den Babys gehört. Vor dem "Ernst des Lebens", wie Erwachsenen gerne die Schule bezeichnen, weit und breit keine Angst. Im Gegenteil, unbändige Vorfreude endlich das zu lernen, was "die Großen" können.

Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Meine Nichte geht ab Montag in die achte Schulstufe. Sie ist eine gute Schülerin, aber ihre unbändige Freude etwas zu lernen, hat sich mittlerweile beinahe in ein notwendiges Übel verwandelt. Gelernt wird kurz vor dem Test oder der Schularbeit. Interesse mehr zu tun als notwendig – null. Der "Ernst des Lebens" hat demnach voll zugeschlagen. Doch woran liegt es, dass Freude und Motivation am Lernen so schnell abhanden kommen können? Ich habe keine Antwort darauf. Ich weiß nur eines: Ich habe in der Schule sehr viel lernen "müssen", bei dem ich mir damals schon die Frage gestellt habe: wozu? Auch heute stelle ich sie mir noch, wenn ich mir so manches Schulbuch meiner Nichte anschaue.

Ein kleiner Funke Motivation für Montag ist dann doch noch bei meiner Nichte hörbar: "Wir sind die Größten", sagt sie stolz. Zumindest in der Unterstufe.

eMail: natascha.marakovits@kurier.at

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