Verfolgungswahn
Diese Zeiten der heimlichen Spioniererei sind vorbei. Heute werden Menschen ganz offiziell beobachtet.
Im Stasi-Museum in Berlin steht eine Gießkanne mit eingebauter Kamera. Von Letzterer wusste freilich nur der Gärtner, der eigentlich ein Spion war und seine Mitbürger gnadenlos ausspioniert hat. Sogar in ausgehöhlten Baumstämmen hat er Kameras versteckt.
Diese Zeiten der heimlichen Spioniererei sind vorbei. Heute werden Menschen ganz offiziell beobachtet. Shoppingcenter-Betreiber erklären stolz, dass sie zu jeder Zeit wissen, wie viele Leute durch ihr Haus wuseln. Dafür sorgen Kameras beim Eingang. Allerdings registrieren diese Kameras nicht, wer die Leute sind, die durch die Tür hereinspazieren. Macht nichts, dafür gibt es Smartphones. Und Kunden, die für Gratis-WIFI bereit sind, Zugang zu ihren Facebook-Accounts zu geben – wer weiß schon, was genau in Nutzungsbedingungen steht.
Menschen mit leichtem Hang zum Verfolgungswahn feiern in Zeiten von Big Data heimliche Triumphe über die Systeme der Konzerne. Ich zum Beispiel. Eine Buchungsplattform fordert mich täglich auf, mich zu belohnen. Mit einem billigen Zimmer in Berlin. Problem: Ich war gerade in Berlin und habe nicht vor, jetzt jede Woche dorthin zu fahren. Auch wenn das Stasi-Museum noch so interessant war. Ich habe auch keinen Koffer in Berlin, den ich dringend abholen muss. Der Aushilfs-James-Bond mit der Blech-Gießkanne würde das wissen ...
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