Theater auf den Rängen
In der Pause gebe ich auf. Zumindest den Sitzplatz. Ich stelle mich auf den Stehplatz. Eine Wohltat.
Ich sitze im Theater. Wie in einem Ohrensessel. Links und rechts von meinem Kopf jeweils ein Turnschuh, ich schätze Größe 44. Das Schuhwerk gehört zu dem Halbwüchsigen, der Kaugummi kauend hinter mir lungert. Als ich mich mit meinem finsterstem Blick zu ihm umdrehe, ist er ehrlich erschrocken. Einen Wimpernschlag später sind die Treter aus meinen Augenwinkeln verschwunden.
Dafür habe ich jetzt deutlich spürbar die Knie des jungen Herren in meinem Kreuz. Und ein ständiges Gewinsel, dass er nicht mehr weiß, wie er in den engen Reihen sitzen soll. Er kaut immer energischer auf seinem Kaugummi. Was sich auf der Bühne abspielt, wird bei dem Theater auf den Rängen fast zu Nebensache. Mein Akademietheater-Abo zur nervlichen Zerreißprobe.
In der Pause gebe ich auf. Zumindest den Sitzplatz. Ich stelle mich auf den Stehplatz. Eine Wohltat. Auch für die Dame, die vor mir gesessen ist – meine Knie und mein Jammern im Kreuz. Am Heimweg ein kluger Artikel in einer Zeitung: Die Menschen in den Industrieländern sind heute im Durchschnitt um 15 Zentimeter größer als vor 100 Jahren. Das haben Wissenschaftler herausgefunden. Ein Theaterbesuch hätte für diese Erkenntnis auch gereicht.
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