Radlos

Julia Pfligl

Dabei gibt es viele Momente, in denen ich mir schwöre, "umzusteigen".

von Julia Pfligl

über Radfahren

Das Rad ist mindestens 40 Jahre alt und sieht nicht aus, als würde es im Notfall eine schnelle Bremsung hinkriegen. Dennoch: Seit es der Freund im Keller seiner Großeltern gefunden und mit nach Wien genommen hat, ist er, der Auto-Fan und einstige Öffi-Fahrer, ein neuer Mensch. Er sagt Sätze wie "Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, in eine stickige U-Bahn zu steigen" und denkt laut darüber nach, seinen geliebten Vintage-Drahtesel in unserer 50-Quadratmeter-Wohnung übernachten zu lassen (bis jetzt denkt er zum Glück nur darüber nach). Wenn ich wieder einmal einen Wutanfall ob der nicht daherkommenden 5er-Bim unterdrücke, wirft er mir einen triumphalen "Selber schuld, wenn du nicht mit dem Rad fährst"-Blick zu. Tja. Recht hat er.

Dabei gibt es viele Momente, in denen ich mir schwöre, "umzusteigen". Die meisten laufen so ab: Ich sitze in der Straßenbahn, lesend, nichts ahnend. Dann, plötzlich, ein leises Rascheln, es wird lauter, immer lauter, und ich ahne bereits, was danach kommt. Eine üble Geruchswolke kriecht in alle Ecken und Ritzen des Waggons, ich setze meinen extra-grimmigen Gesichtsausdruck auf, drehe mich um und sehe sie: die Leberkässemmel – besser bekannt als internationales Öffi-Zeichen für "Fahren Sie endlich Rad, verdammt!!!"

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