Der neue Karlsplatz

Julia Pfligl

Als Landkind wächst man mit einem gewissen Respekt vor der Großstadt auf. Für einen Ferien-Ausflug nach Wien bastelte uns die besorgte Großmutter einmal kleine Umhängeschilder, auf denen in Blockbuchstaben stand: "Ich bin die Julia aus Niederösterreich und ich habe meine Oma verloren. Bitte rufen Sie sie an. Ihre Telefonnummer ist ..." – für den Fall, dass die kleinen Enkerln (inklusive Sprachvermögen) im bösen Großstadtwirrwarr (alias auf dem Weg von Schönbrunn zum Tichy) verloren gehen. Was nie passierte, aber man kann ja nicht vorsichtig genug sein.

An einem Ort bündelte sich alles Böse, das eine Stadt zu bieten hat: der U-Bahn-Station Karlsplatz. Sie war für uns so etwas wie der Verbotene Wald bei Harry Potter – ein gefürchteter, finsterer Ort voller Junkies und Alkoholiker, an dem Kinder und Jugendliche ohne Begleitung nichts verloren hatten. Später zog ich selbst nach Wien, durchquerte die Karlsplatz-Passage mehrmals wöchentlich (ohne Umhängeschild!) und fühlte mich nicht ein einziges Mal unwohl.

Was auch immer die wundersame Wandlung ausgelöst hat, sollte in absehbarer Zeit auch am Praterstern passieren. Dort ist von Wohlfühlen nämlich schon lange keine Rede mehr – und zwar nicht nur an Länderspiel-Tagen wie heute.

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