Malbuch

Ein Trend der talentbefreiten Wohlstandsgesellschaft erreicht mein unmittelbares Umfeld.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Meine Freundin (Mitte 30, bisher geistig voll zurechnungsfähig) postet ein Bild von einem bunten Blätterwald. Das hat sie selbst gemalt – zumindest ausgemalt. In einem Malbuch für Erwachsene. Mir krampft es alles zusammen. Kritzeln gegen die Krise – der Trend einer talentbefreiten Möchtegern-Künstler-Wohlstandsgesellschaft erreicht mein unmittelbares Umfeld.

Ich deponiere meinen Ärger darüber postwendend bei meiner postenden Freundin. Sie antwortet, dass sie mir zur Entspannung gerne ihr Malbuch borgt. Pah! Als bräuchte ich eine Maltherapie, um zu meiner inneren Mitte zu finden!

Malbücher können genau nichts bewirken. Dachte ich bis heute. Doch dann frühmorgens eine Meldung der dpa. Schwan-Stabilo kommt mit dem Produzieren von Stiften nicht mehr nach, weil plötzlich so viele Erwachsene Buntstifte für ihre Malbücher brauchen. Auch die Konkurrenz fährt Sonderschichten. Mein lieber Schwan! Kritzeln gegen die Krise funktioniert – den Stabilo-Managern geht’s schon viel besser!

Ich greife zur Zeitung. Ein Ökonom erklärt, wie man die Wirtschaft retten kann. Ich male ihm eine lange Nase, Warzen und einen Schnurrbart ins Gesicht und schick ein Bild davon an meine Freundin. Weil Malen die Stimmung hebt – und die Wirtschaft belebt. Angeblich.


eMail an: simone.hoepke@kurier.at

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