Ungemütlich

Georg Leyrer

Georg Leyrer

Wenn Kultur innerlich bewegen, Geisteshaltungen erweitern, dann muss sie dort hinschauen, wo es heute wehtut.

von Georg Leyrer

über "Ewige Wahrheiten"

Ewige Wahrheiten“, so klopfen sich Kulturpublikum und -schaffende gerne auf die Brust, werden auf der Opern- und Theaterbühne verhandelt. Da braucht es, bitteschön, keine Aktualisierung. Denn besonders gemütlich ist es im Theatersessel, wenn die Wahrheiten älter als 150 Jahre sind, wenn es um Verwirrspiele an Adelshäusern, Verletzungen längst überholter Ehrgefühle oder auch antike Figuren geht.

Dieser Tage aber wurde die Hochkultur wieder ungemütlich, und das ist gut so. In Düsseldorf haben sich die Besucher direkt von einer umstrittenen Wagner-Inszenierung mit Nazi-Anspielungen zum Arzt begeben und so die Absetzung erwirkt. In Wien wiederum gab es geschickt eingesetzte Aufregung über die Verknüpfung von menschlicher Alterung mit Glaubensfragen (siehe hier).

Dass wir alle immer älter werden und die zunehmende Pflegebedürftigkeit menschliche Grundfragen neu stellt; dass Wagners Musik (und Weltbild) während der Nazi-Zeit eine Rolle gespielt hat, muss natürlich auch Thema für die Kultur sein.

Wenn Kultur innerlich bewegen, Geisteshaltungen erweitern, vielleicht sogar die menschlichen Gefühle verfeinern soll, dann muss sie dort hinschauen, wo es heute wehtut. Insofern ist Empörung im Publikum wünschenswerter, als wenn dieses zuerst einnickt und dann die verschlafene Aufführung (oft besonders begeistert) abnickt.

georg.leyrer@kurier.at

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