Mitten in der Krise ein Rekordjahr
Gibt es gar keine Krise in der Kultur?
Das Christkind ist ja erfahrungsgemäß ein braver Kulturkonsument. Unter vielen Bäumen wird das Adele-Album, die Alfred-Brendel-Box (114 CDs), das eine oder andere „ Star Wars“- oder Opern-Ticket oder ein anderes Kulturprodukt gelegen sein
Das Weihnachtsgeschäft war daher in den vergangenen Jahren oft das süße Ende eines bitteren Kulturjahres: Nach vielen schlechten Nachrichten – einbrechender Musikverkauf, Kino- und Filmstudiosterben, stagnierende Fördermittel – eine letzte gute, bevor es ins neue Jahr ging. Heuer aber war das nicht nötig, im Gegenteil: Es war das Jahr, in dem die Einnahmen- und sonstigen Rekorde purzelten. Ein Jahr der guten Nachrichten also. Darunter: Zur Überraschung aller – einschließlich Hollywoods – warf der Sommer einen Riesen-Blockbuster ab. „Jurassic World“, der gefühlt hundertste Dinosaurier-Film, wurde der drittlukrativste Film der bisherigen Geschichte.
Und wird das nur kurz bleiben, denn der neue „Star Wars“-Film dürfte ihn demnächst überholen und wohl sogar der lukrativste der Geschichte werden. Den weltbesten Kinostart hat man bereits aufgestellt.
Auch in Österreich durften sich die Kinos freuen: Gleich vier Filme lösten mit mehr als 600.000 Besuchern das „Platinum Ticket“ – das gelang 2014 nur einem, dem finalen „Hobbit“-Film.
Popsängerin Adele wiederum fährt Verkaufszahlen ein, die das Musikbusiness gar nicht mehr kennt. Das (Papier-)Buch ist zurück. Der US-Markt bei Paperbacks hat um zehn Prozent angezogen. Das gefürchtete eBook verzeichnet schwindendes Interesse.
Gar keine Krise?
Nur: Wie passt dieser Überfluss an guten Nachrichten zur allseits diagnostizierten Krise? Ist die etwa nur Einbildung, oder gar eine Erfindung der Künstler, um auf die Mitleidstour mehr Geld zu verdienen? Leider nein. Rekorde sind vielmehr überraschenderweise ein Resultat der Krise – und nützen den von den Finanzierungsproblemen Betroffenen nichts.
Denn die Rekorde sind eine Reaktion auf den Überfluss, auf die fragmentierte Kulturwelt. Je mehr Auswahl es gibt, desto eher wählen die Menschen etwas, über das andere reden, oder das sie empfohlen bekommen. Was heißt, dass sich die Aufmerksamkeit stark konzentriert: auf einzelne herausragende Gewinner, denen es blendend geht. Das kulturelle Mittelfeld aber bleibt im Gegenzug immer mehr auf der Strecke. Wer nicht im grellen Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, kommt nicht mehr vor. Und damit vor allem: die leisen, die schwierigen, die nachdenklichen Positionen.
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