Frank Ocean kennt die Zukunft des Musikmarkts

Popsänger Frank Ocean hat gleich zwei Alben veröffentlicht – und damit die letzten Reste des Kaufmusikmarktes ausgehebelt.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Frank Ocean kennt die Zukunft des Musikmarkts

von Georg Leyrer

über einen wegweisenden Deal.

Man kennt das inzwischen: Kaum blinzelt man, hat irgendein Superstar überraschend ein neues Album veröffentlicht.

Einst wurde jede nahende Veröffentlichung der popmusikalischen Geldbringer von einem anschwellenden Chor der Marketingabteilung begleitet: Noch vor der neuen Musik waren die Stars allüberall präsent, gaben Interviews und ließen sich von Paparazzi „erwischen“, denen zuvor genau der Ort und die Zeit mitgeteilt wurde. Jetzt hingegen ist die neue Strategie, dass Alben über Nacht auftauchen und quasi der Überraschungseffekt den Fan aus der Streamingdienst-Abspiel-Lethargie holen soll. Auf die Spitze getrieben hat das zuletzt Frank Ocean: Der gefeierte Sänger war vier Jahre ohne neue Musik ausgekommen – und veröffentlichte dann innerhalb von 24 Stunden gleich zwei neue Alben.

Doppelte Überraschung, also? Nein, die Überraschung war noch größer. Denn Ocean hatte mit diesem Doppelschlag offenbar weit mehr im Sinne als kurz die mediale Aufmerksamkeit an sich zu reißen. Er hat sich, verkürzt zusammengefasst, per Blutgrätsche in die Musikmarktzukunft gebeamt.

Denn, so berichtet die New York Times, die Fans haben etwas Erstaunliches entdeckt: Auf „Blonde“ (dem zweiten erschienen Album, das inzwischen Nummer 1 der US-Charts ist) kommt kein Hinweis auf das Label von OceanDef Jam, ein Arm von Universal Music – vor. Kein Zufall: Denn mit dem kurz vor „Blonde“ veröffentlichten Album – ein „visuelles Album“ mit einem Film und nur einem Song – hatte Ocean seine vertraglichen Verpflichtungen mit Def Jam erfüllt. Und konnte daher sein lange erwartetes neues Album, „Blonde“ eben, direkt an den Streamingdienst von Apple verkaufen, ohne dass ihm das Label dazwischen kam.

Das Label wird sich nicht gefreut haben. Für Ocean wird der Deal lukrativ sein: Die stark untereinander in Konkurrenz stehenden Streamingdienste setzen zunehmend auf exklusive Veröffentlichungen, um neue Abonnenten zu gewinnen. Nun herrscht, so die New York Times, Alarmstimmung bei den Labels, die in den vergangenen 15 Jahren mit dem gesamten Kaufmusikmarkt rasant an Bedeutung verloren haben. Ocean hat in aller Deutlichkeit gezeigt, wie man einen der einstigen Riesen austrickst – und hat den „alten“ Musikmarkt (Labels) gegen den „neuen“ (Streamingdienste) ausgespielt. Das könnte Schule machen – und die Labels ihre Superstars kosten.

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