Enkel der Revolution
Wogegen soll man aufbegehren, wenn sich schon die eigenen (Groß-)Eltern im Festival-Schlamm gewälzt haben?
Spucken wir’s schnell heraus, bevor wir es uns anders überlegen: Früher war’s besser. Stimmt natürlich überhaupt nicht – wer so einen Nonsens ernsthaft sagt, hat sich selbst schon an der Garderobe abgegeben.Aber jetzt ist es ausgesprochen, also beharren wir kurz darauf: In der Popmusik war eine bestimmte Sache früher wirklich besser. Pop, das war das Aufbegehren gegen die stocksteife Erwachsenen-Kultur, der Kampf um die Stimme einer neuen Generation. Nur: Diese Kämpfe sind ausgefochten. Längst gehen nicht mehr die von T. Rex besungenen „Kinder der Revolution“ in Konzerte, sondern deren Enkel. Ein Dilemma: Wogegen soll man aufbegehren, wenn sich schon die eigenen (Groß-)Eltern im Festival-Schlamm gewälzt haben?Nach wie vor gibt es wunderschönen Pop (und auch genug Schlamm). Aber dieser – der Pop – muss zunehmend den künstlerischen Kniefall vor dem Publikum machen: Neue CDs verkaufen sich immer schlechter, alte Songs bestimmen das Weihnachtsgeschäft. Und wer live zu viel wagt (liebe Grüße an Madonna!), verschreckt die einzige rege sprudelnde Einnahmequelle, den Ticketkäufer.Das Resultat? Der Charts-Pop hat alle Reste des Wagemuts abgestreift. Die Abenteuer finden in Nischen anstatt im Herzen des Pop statt. Und damit droht Pop zu einer Erwachsenen-Kultur zu werden, die die Kinder der nächsten Revolution nur marginal interessiert.
georg.leyrer@kurier.at
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