Differenziertheit ist die einzige Antwort

Georg Leyrer

Georg Leyrer

Differenziertheit ist die einzige Antwort.

von Georg Leyrer

über die Absage eines Flüchtlingsstückes.

Unterwerfung“. „Feiglinge“. Natürlich „Gutmenschen“. Und noch Schlimmeres. Am Dienstag war das Volkstheater jene sprichwörtliche Sau, die durch die Online-Foren getrieben wurde.

Der Grund: Das Theater hatte die geplante Uraufführung von „Homohalal“ abgesagt. Das Flüchtlingsstück mit bitterem Ende sei unter anderen Vorzeichen entstanden, seit der Fertigstellung prägen „Angst und Hass“ den Diskurs über die Migration, ließ das Theater wissen.

Das wurde, mal wieder, eine dankbare Vorlage für Aufregung – das Theater knicke vor den lauten Grenzen-dicht-Schreiern ein, oder vor den Flüchtlingen, oder vor der Politik, oder vor allen zusammen, hieß es. Das widerspricht sich? Macht nichts. Derzeit findet sich immer jemand, der etwas – egal, was – als Vorlage für Aufregung nützt.

Danke, Internet.

Etwas viel Interessanteres ist passiert. Das Volkstheater hatte sich etwas gegönnt, das Politikern, Aktivisten, auch der Öffentlichkeit verwehrt bleibt: Es ist einen Schritt zur Seite getreten und hat nachgedacht – und sich korrigiert. Schauspieler seien auf sie zugekommen, schildert Direktorin Anna Badora im KURIER-Gespräch, mit der Frage, ob der Text noch relevant sei. Der war aus der Refugee-Bewegung in der Votivkirche heraus entstanden, aus damaliger Sicht „kritisch und anregend“ gewesen. Und ist seither durch die „Zeitwalze überrollt“ worden, sagt Badora. Es sei verblüffend, was mit einem Text in zwei Jahren passieren könne.

Die giftige Online-Reaktion auf die Absage folgte auf dem Fuß. Badora will nun überlegen, wie das Theater darauf reagieren kann: „Differenziertheit ist die einzige Antwort.“

Also, differenzieren: Nein, die Kultur sollte vor niemandem einknicken, nicht vor der öffentlichen, nicht vor der veröffentlichten Meinung. Nicht vor der Weltgeschichte. Aber sie muss sich die Freiheit nehmen können, das Geschrei zu ignorieren und Maßstäbe anzusetzen, die höher, schwieriger, differenzierter sind als die des Alltags. Auch wenn die Zwischentöne untergehen. Insofern war die Absage richtig.

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