Wir wollten es nicht wissen
Wie sich herausstellt, hat man sehr wohl gewusst, was in Wiener Heimen vorfiel, und wie dort Kinder und Jugendliche missbraucht und misshandelt wurden. Man wusste es, und zwar wussten es zum Beispiel die Jugendrichter: Menschen, die hätten eingreifen und helfen können. Wir haben’s nicht gewusst: Das stimmt auch diesmal nicht. Der Wahrheit näher kommt: Wir wollten’s nicht wissen. Und: Wir haben’s nicht geglaubt. Oder: Es war uns egal. Sowie: Wo kommen wir hin, wenn wir anfangen, die Aussagen von Kindern und Jugendlichen ernst zu nehmen?
Es ist (das wird hier jetzt eine kleine Serie) nicht alles schlechter geworden: Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist heute von sehr viel mehr Respekt, Vertrauen, Verständnis und Mitgefühl geprägt als noch vor 30 oder 40 Jahren. Die Gesellschaft ist dazu übergegangen, Kinder und Jugendliche, ihre Sorgen und Anliegen ernst zu nehmen. Sie zu beschützen, vor physischer und psychischer Gewalt. Und ihnen zu glauben, wenn sie von Übergriffen berichten: Oder sie, falls es Zweifel an ihrer Darstellung gibt, mit Psycholginnen und Psychologen zusammenzubringen, die in der Lage sind, zwischen Wahrheit und Einbildung zu trennen. Wir haben gelernt, dass das Schlimme, das Kindern und Jugendlichen zustößt, unfertige, labile Erwachsene aus ihnen machen und damit ihre Zukunft beschädigen kann – und den Umgang mit ihren eigenen Kindern und damit deren Zukunft. Und dass Gesellschaft und Justiz sie davor beschützen müssen, und, falls das nicht gelungen ist, ihnen helfen, das Leid zu verarbeiten, das ihnen widerfahren ist. Denn wir wissen es jetzt.
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