Was, du hast keine Rasenschere?

Doris Knecht über den Muttertag.
Doris Knecht

Doris Knecht

Lasst mich bloß mit dem Muttertag in Ruhe, kümmert euch lieber unterm Jahr um mich.

von Doris Knecht

über den Muttertag

Der beste Muttertag: mit Mutter. Das ist selten, wenn man seit Jahrzehnten Hunderte Kilometer von einander entfernt wohnt. Und wenn man eine Mutter hat, die den Muttertag nicht feiert, nie: Lasst mich bloß mit dem Muttertag in Ruhe, kümmert euch lieber unterm Jahr um mich, telefoniert mit mir, besucht mich, whatsappt, schickt mir SMS. So ist meine Mutter: pragmatisch und praktisch.

Und jetzt ist sie – mit meinem Vater, wie schön – bei mir auf Besuch. Ich sehe sie durchs Fenster, während ich schreibe: Sie schneidet mit einer Rasenschere, die sie gestern mit mir kaufen war –was, du hast keine Rasenschere???? – das Gras um mein Beet weg, und unter der Bank, auf der schon die großen Töpfe für die Paradeiser stehen. (Noch nicht eingepflanzt, natürlich nicht! Die Eisheiligen kommen ja erst nächsten Mittwoch.)

Meine Mutter ist über siebzig und fit wie eine 50-Jährige. Sie fährt daheim, in dem Dorf, in dem sie wohnt, jeden Tag mit dem Fahrrad zum Einkaufen und zu ihren Kindern, Freundinnen, Geschwistern und Schwägerinnen, und auf den Friedhof. Sie hat natürlich auch daheim einen großen Garten, in dem schon Salat wächst, sie hat zwei Köpfe mitgebracht, makellos, eh klar.

Ich habe ihr gesagt, was ich ihr jedes Mal sage, wenn sie mich besucht: Mama, mach einmal Pause, setz dich in den Liegestuhl in den Schatten, lies ein Heftl, schlaf ein bisschen, lass es dir gut gehen! Das kann meine Mutter nicht. Sie kann nicht still sitzen.

Wenn sie still sitzt, muss sie wenigstens stricken, aber wenn möglich, setzt sie sich gar nicht hin. Weil, wenn man schaut, sieht man immer eine Arbeit, und in meinem Garten muss man dafür nicht lange schauen. Wo ist denn deine Rasenschere? Das ist doch keine Rasenschere!, das ist ein Hecken-Schneider!, du hast wirklich keine Rasenschere, wie gibt’s so was? Also fahren meine Mutter und ich in den Baumarkt, und kaufen eine Rasenschere, und damit schneidet sie jetzt da draußen meinen Garten schön. Danke, Mama, schönen Muttertag, so ein Glück, dass du da bist.

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