Stehen lernen mit Roth

Doris Knecht

Doris Knecht

Nach Nikotin, Alkohol, Fett (mittlerweile in den meisten Anklagepunkten freigesprochen) und Zucker (jetzt Gesundheitsfeind Nr. 1 der westlichen Welt) haben die Mediziner einen neuen Bösewicht ausgemacht. Obacht, die Wahrscheinlichkeit, dass Sie gerade etwas Lebensgefährliches tun, ist sehr groß: sitzen nämlich. Tatsächlich sei langes Sitzen, wie so viele andere bequeme Dinge im Leben, letztlich tödlich. So jedenfalls interpretiert das amerikanische National Cancer Institut eine breite Studie, die belegt, dass das Risiko, Darmkrebs, Lungenkrebs und Gebärmutterkrebs zu bekommen, durch zu viel Sitzen um bis zu 30 Prozent erhöht werde. Ebenso begünstige zu viel sitzen Herzkreislauferkrankungen und Diabetes. Und natürlich ist es schlecht für die Wirbelsäule und für viele, bittere Rückenschmerzen verantwortlich.

Dazu haben die Forscher noch eine weitere schlechte Nachricht: Die Idee, ganztägiges Sitzen durch erhöhte sportliche Aktivitäten und mehr Fitness auszugleichen, bringt keinen gesundheitlichen Erfolg: Die negativen Effekte des Sitzens lassen sich nicht wegtrainieren. Man kann nur eins tun: weniger sitzen.

Das ist schwierig. Sitzen durch Liegen zu ersetzen, hat, scheint es, keinen positiven Effekt. Stehen kann auf Dauer ganz schön unbequem werden, obwohl viele Menschen darauf schwören, zum Beispiel – eine schöne Gelegenheit, ihn wieder einmal zu erwähnen – Philip Roth, der die meisten seiner wunderbaren Bücher im Stehen geschrieben hat, an einem schönen Holz-Linoleum-Pult.

Am besten wäre es, den ganzen Tag herumzugehen, was sich wiederum bei den meisten Menschen nicht so gut mit der Erwerbsarbeit verbinden lässt, es sei denn, man ist Briefträger. Es gibt zwischen all den deprimierenden Sitz-Nachrichten allerdings eine gute: Es hilft, wenn man zwischendurch immer wieder aufsteht, ein paar Schritte macht, sich bewegt, die Sitzposition ändert. Gut; das machen wir jetzt, gemma.

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