Sind Sie eh noch wach?
Sind Sie eh noch wach?
In Tirol schickt eine Gemeinde ihre Kirchenglocken nun nachts schlafen. Die Wirte mehrerer Pensionen hatten den örtlichen Pfarrer darum gebeten: Der Gäste Schlaf wurde in der Nacht unterbrochen, und zwar vielfach. Die Glocken hatten zu jeder Viertel, jeder halben und jeder vollen Stunde geläutet: Wer schon einmal in einem Nachtlager ganz nah eines Kirchturms oder unweit einer Pendeluhr darauf gewartet hat, dass es fertig zwölf geschlagen hat, weiß, dass das sehr, sehr lange dauern kann. Endlos. Das Läuten scheint überdies mit jedem Schlag lauter zu werden, bis es am Ende unerträglich, ja regelrecht schmerzhaft ist. Dieser Schmerz und der Ärger über seine im Grunde unnötige Zufügung können einem nachhaltig den Schlaf rauben.
Die viertelstündlichen Schläge, die in Zeiten von Smartphones nur noch der frequenten Versicherung dienen, dass das Schlagwerk klaglos funktioniert und dass man definitiv immer noch wach ist, sorgen dafür, dass der Schlaflosigkeit eine gewisse Permanenz immanent wird. Das wiederum kann den Erholungsfaktor im Urlaubsort maximal minimieren.
Dafür gibt es auch wissenschaftliche Untermauerung: Forscher der ETH Zürich maßen 2011 die Lautstärke der Schläge in 27 Schlafzimmern in der Umgebung von neun Kirchen im Kanton Zürich und analysierten gleichzeitig den Schlaf der darin Nächtigenden. War man bis dahin davon ausgegangen, dass Schlafende erst ab einem Geräuschpegel von 60 Dezibel erwachen, wies die Studie eine Störung des Schlafes schon bei weit geringerer Lautstärke nach.
Der Pfarrer des besagten Ortes zeigte Verständnis für den Wunsch von Touristen und Wirtschaft und sorgte für die erflehte Nachtruhe, indem die Kirchenglocken nun von 22.15 bis 5.45 Uhr abgestellt werden. Man müsste meinen, das machte alle Menschen froh, doch dem ist nicht so. Tatsächlich scheinen mehrere Einwohner das nächtliche Läuten zu vermissen. Die liegen nun wach bis 5.45 Uhr und können vor lauter Stille nicht schlafen.
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