"Pausenlos kranke Kinder"

Doris Knecht

Doris Knecht

Es werde bei der Grenz-Sicherung Europas "nicht ohne hässliche Bilder gehen", sagte Außenminister Sebastian Kurz. Ja. Es geht auch nicht ohne schreckliche Berichte. Auf Facebook sorgen die viel geteilten Posts des deutschen Arztes Joost Rot für Bestürzung, der derzeit im und um das Camp bei Idomeni praktiziert. Ehrenamtlich und unabhängig behandelt er täglich Männer, Frauen und Kinder, die von den Krankenhäusern nicht aufgenommen werden, trotz teilweise schlimmster Krankheiten und Verletzungen.

Was der Arzt dort erlebt, was für medizinische Katastrophen er reparieren muss, unter welchen Umständen die Menschen dort leben und was sie erleiden, dokumentiert er in seinen erschütternden Facebook-Berichten.

Er hat mir erlaubt, daraus zu zitieren: "Pausenlos kranke Kinder", schrieb er vergangene Woche, "kranke Mütter, kranke Menschen ohne Ende. Durchfall, Erbrechen, Husten, Halsentzündungen, Augenentzündungen, Kopf- und Ohrenschmerzen, Mundsoor, Blasenentzündungen, Läuse, Läuse, Läuse, Krätze, Sonnenbrand, Sonnenbrand, Sonnenbrand, vermutlich Tuberkulose. Ein junger, Blut hustender Patient wurde erwartungsgemäß aus dem Krankenhaus wieder zurück ins Camp geschickt, mit einem Zettel, er solle sich im 77 km entfernten Thessaloniki beim Lungenfacharzt vorstellen. Wie denn? Wir dürfen ihn nicht hinbringen. Vielleicht im öffentlichen Bus? Trampend? Er hustet und spuckt Blut aus."

Ein paar Tage zuvor teilte er ein Foto von der Hand eines Flüchtlings, deren gebrochene Finger nur mit Pflastern und Holzspateln fixiert werden konnten, weil man den Mann nicht ins Krankenhaus bringen darf. Auch nicht das 14-jährige Mädchen mit großflächigen, mittlerweile infizierten Verbrennungen. Und: "Wir überlegen pausenlos, wie wir Läuse und Krätze behandeln sollen, wenn es keine Duschen gibt, um die Medikamente wieder abzuwaschen."

Das sind Bilder aus Europa: nicht wegschauen.

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