Nur die Vögel machen Hoffnung
Dort, wo man Richtung Ostern ins Grüne blicken will, ist alles weiß.
Karfreitag, und nichts ist, wie es sein soll. Dort, wo man Richtung Ostern ins Grüne blicken will, ist alles weiß, und nicht von Schneeglöckchen, wie in anderen Jahren, sondern von Schnee. Schneeglöckchen gibt’s heuer nicht; nur die Tulpen bohren tapfer ihre braungrünen Spitzen durch die Schneedecke. Vielleicht knospen die Bäume schon, aber man kann es unter der weißen Schicht, die auf den Ästen klebt, nicht sehen. Die Nachbarskinder haben einen Schneehasen gebaut, in dicken Skihosen und Daunenjacken, er trägt einen Strohhut, den offenbar jemand spendiert hat, der es aufgegeben hat, noch daran zu glauben, dass es je wieder Sommer werden wird.
Die Menschen, die um diese Jahreszeit normalerweise ihre Gartenmöbel mit dem Kärcher reinigen und das letzte Herbstlaub aus dem frischen Rasen pflücken, schippen vor ihren Häusern in eisiger Luft Schnee. Grüß’ Sie, das sind Ostern, was. Ja, aber morgen soll’s besser werden, wärmer, mehr als zehn Grad soll es bekommen, und die Sonne soll scheinen. Wirklich? Glaubt keiner mehr so recht.
Wo wird man heuer die Osternester verstecken? Kein Ort, an dem ein Korb mit knallgrünem Papiergras und bunten Ostereiern nicht sofort entdeckt würde. Kein Versteck, wo die Eier nicht sofort gefrieren und das Ostergras matschig werden wird. Keine Ostereier heuer, sondern Schneeeier. Schneier. Ja. Tja.
Das Einzige, was einen sicheren, hoffnungssatten Hinweis darauf gibt, dass das da draußen kein Weihnachten ist, sondern Ostern, sind die Vögel: Meisen, Rotkehlchen und erstaunlich fette Amseln, die sich um die ausgestreuten Körner balgen und sich einen wegzwitschern, als sei alles ganz normal. Als sei es wirklich tatsächlich Ende März. Als werde es jetzt dann sofort und schlagartig Frühling. Und irgendwann ganz bestimmt auch wieder Sommer, mit echtem grünen Gras und Blumen und blühenden Bäumen, und dichtem Blattwerk und milder Luft. Als würde das vielleicht noch ein Ostern, wie es sein soll.
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