Morgenstund hat Glück im Mund

Doris Knecht

Doris Knecht

Manchmal fängt der Tag damit an, dass man ein riesengroßes Glück hat

von Doris Knecht

über Erlebnisse im Morgenverkehr

Seit Jahren fahre ich unfallfrei Auto. Keine Delle, kein Kratzer, kein Bumser. Nie wem aufgefahren, nie gestreift. Ein Strafzettel wegen Falsch-Parkens, einer wegen einer geringen Geschwindigkeitsübertretung. Ich werde beim Autofahren fast nie angehupt (außer ich unterschätze wieder mal die unterirdisch minimalen PS des alten Kübels), nie angeschrien und sehr selten mit einschlägigen Gesten bedacht.

Aber manchmal fängt der Tag schwierig an. Kürzlich brachte ich ein paar Leute mit dem Auto zum Hauptbahnhof. Es war früh, ich hatte schlecht geschlafen. Es wurde getrödelt, wir waren etwas knapp dran. Es war mehr Verkehr am Gürtel als letztes Mal um dieses Zeit. Ich hatte nicht genug Kaffee. Die Mitfahrer plapperten unablässig, und das Navi war zu leise eingestellt. Und all diese minderoptimalen Umstände verketteten sich, und ich geriet kurz auf eine falsche Spur, die mich auf die Triester Straße gebracht hätte, statt zum Hauptbahnhof. Und ohne groß zu denken und richtig zu schauen, schob ich das Auto zurück auf die richtige Spur.

Und das war natürlich ein massiver Fehler. Wirklich total arg. Es hätte richtig viel passieren können, wenn nicht alle anderen Autofahrer so schnell, gut und geistesgegenwärtig reagiert hätten. Und wenn ich nicht ein Riesenglück gehabt hätte. Die Mitfahrenden schrien vor Schreck, ich wurde rundherum wütend angehupt, durch geschlossene Fenster angebrüllt und mit vielen unfreundlichen Handzeichen befuchtelt, die ich allesamt vollumfänglich verdient hatte. Komplett zerknirscht gestete ich Entschuldigungen in alle Richtungen, und bedankte mich stumm und demütig bei allen, die durch ihre richtigen Reaktionen einen Unfall verhindert hatten. Und ungefähr zwanzig Mal hörbar bei den Mitreisenden im Auto. Und schwor, so einen Fehler nie wieder zu machen.

Manchmal fängt der Tag damit an, dass man ein riesengroßes Glück hat, von dem man wirklich nicht weiß, wie man es verdient hat: danke. Und Entschuldigung noch einmal.

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