Madonna geht halt immer noch voraus

Doris Knecht

Doris Knecht

Perfekt sind wir alle nicht. Wollen wir dafür verspottet werden? Nein.

von Doris Knecht

über Merkel und Madonna

Ein letztes Mal Leipzig, aber diesmal geht’s um Frauen, nicht um Bücher. Denn in Leipzig wurde auch der Preis für den ungewöhnlichsten Buchtitel des Jahres. "Wir sind glücklich, unsere Mundwinkel zeigen in die Sternennacht, wie bei Angela Merkel, wenn sie einen Handstand macht" heißt das Buch eines deutschen Poetry-Slammers.

Leserin Eleonore M. findet das nicht lustig, und ich pflichte ihr bei. "Es gibt keine Comedy-Sendung, in der es nicht darum geht, über Merkels herabfallende Mundwinkel zu lästern." schreibt sie. "Da wird ständig über Frauen hergezogen, die sich einer plastisch-chirurgischen Korrektur unterziehen. Doch über Frauen, die sich weigern, so etwas zu tun, wird genauso oder noch mehr hergezogen."

Frau M. hat recht. Es ist nicht so, dass man sich über die deutsche Kanzlerin nicht lustig machen darf, aber man sollte sich überlegen, ob man sich deshalb lustig macht, weil ihr Gesicht ein paar Zeichen des Älterwerdens zeigt. Es ist, wie Frau M. sagt: Wenn Frauen natürlich altern, ziehen sie Spott auf sich; versuchen sie, diesen Alterungsprozess mit den Mitteln der Schönheitschirurgie aufzuhalten, ziehen sie Spott auf sich.

Oder man sagt, sie seien nur noch peinlich, traurige Gestalten. Kürzlich saß ich in einer feinen Frauenrunde und zu späterer Stunde wurde die Frage erörtert, ob das nun peinlich sei, was Madonna jetzt so mache, oder doch auch gut. Ich finde es etwas peinlich und richtig gut und progressiv. Nach allen Schritten, die Madonna den Frauen schon vorausgegangen ist, macht sie nun klar, dass Alter keine Rolle spielt und Peinlichkeit keine Kategorie ist. Wieder dieses paradoxe Diktat: Frauen sollen nicht langweilig und ältlich wirken, aber sie sollen auch nicht ihre sog. Würde riskieren. Oder was immer der Boulevard darunter versteht.

Wir sollten endlich aufhören, Frauen – alle Menschen – aufgrund ihres Aussehens, ihrer Falten, ihrer Figur zu verurteilen und zu verhöhnen. Perfekt sind wir alle nicht. Wollen wir dafür verspottet werden? Nein.

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