"Leider habe ich kein Geld dabei"

Doris Knecht

Doris Knecht

Ich wollte dich fragen, ob Du mir 1700 Euro so schnell wie möglich leihen kannst.

von Doris Knecht

über Spams

Leserin Sabine W., die mir vor ein paar Wochen einmal geschrieben hat, mailt mir erneut: "lch hoffe, du hast dies schnell erhalten, ich bin nach Limassol, Zypern verreist". Das ist schön, das höre ich gern, nur bin ich verwundert, dass wir jetzt, wie die Schweizer sagen, Duzis sind: Da ich mich an das letzte Mail der Leserin erinnern kann und es war verfasst nach allen Geboten der Höflichkeit und des Takts.

"Ich habe meine Tasche verloren", heißt es in dem Mail weiter, "samt Reispass und kreditkarte. Die botschaft ist bereit, mich ohne meinen Pass fliegen zu lassen. Ich muss nur noch für mein ticket und die hotelrechnungen zahlen." Ich erinnere mich weiter, dass das letzte Schreiben der Leserin auch in eleganter, vor allem einwandfreier Rechtschreibung verfasst wurde, mich deucht, ihr Stil habe in den letzten Wochen stark gelitten.

Das liegt aber vermutlich an dem Kummer, den sie gerade erleiden muss, und der auch im Folgenden gierig an der Integrität des Satzbaus, der Zeichensetzung, der Groß- und Kleinschreibung nagt. Denn: "Leider habe ich kein Geld dabei, meine kredit karte könnte helfen aber die ist auch in der Tasche. Ich habe schon kontakt mit meiner Bank aufgenommen, aber sie brauchen mehr zeit, um mir eine neue zu schicken." Das ist natürlich alles höchst bedauerlich, ja tragisch, denn: "Ich muss unbedingt den nächsten Flug bekommen." Hier nun kommt das Schreiben auf den entscheidenden Punkt. "Ich wollte dich fragen, ob Du mir 1700 Euro so schnell wie möglich leihen kannst. Ich gebe es dir zurück sobald ich da bin. Das Geld durch Western Union ist die beste möglichkeit. Ich warte auf deine Antwort. LG, Sabine W."

Danke für Ihr Schreiben, liebe Sabine! Und danke auch Ihnen, lieber Spammer, und die Antwort auf diesem Weg: Danke, aber: nein, danke. Und obwohl ich nicht glaube, dass irgendwer von Sabine W.s Freundinnen und Freunden tatsächlich auf den Identitäten-Schwindel hereinfällt: Sabine W. geht’s gut, und ihre Tasche hat sie noch.

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