Verkehrte, ganz verkehrte Welt
Die Männer sind darin Frauen, die Frauen Männer
Mehr als fünf Millionen Mal wurde der Kurzfilm „Majorite opprimere“ der französischen Regisseurin Éléonore Pourriat auf auf YouTube mittlerweile angeklickt: zehn empfehlenswerte, verkehrte Minuten, in denen die aktuelle Lebensrealität der Frauen mit einem ganz simplen Trick ihrer immanenten und strukturellen Ungerechtigkeit überführt wird.
Der Film durchjagt einen mit Schauder der Erkenntnis und des Unbehagens. Der Trick: Pourriat zeigt einen ganz normalen Ausschnitt eines ganz normalen Tages einer ganz normalen jungen Mittelschichtsmutter, stimmig und unspekulativ erzählt bis in die kleinsten, augenscheinlich banalen Details. Nur eine entscheidende Sache stimmt nicht in diesem Film: Die Männer sind darin Frauen, die Frauen Männer.
Es ist ein Mann, der morgens den Kinderwagen durch den Hof schiebt, der von einer Hausbewohnerin von oben herab gemaßregelt wird und dem eine schwitzende, halb nackte Joggerin grad so ein bisschen zu nahe tritt. Es ist ein Mann, der das Kind zum Tagesvater bringt, welcher trotz der Hitze Kopf und Haar bedecken muss, seine Frau will es so. Später radelt der Mann, in Flipflops, Bermudas und Poloshirt, durch die sommerliche Stadt, und erlebt dabei das, was normalerweise junge Frauen auf einer täglichen Basis erleben: taxierende Blicke, sexistische Bemerkungen, verbale Abwertungen, völlig grotesk in der Umkehrung. Wie der Mann an der Ampel von einer ungustiösen Frau angemacht und dann brutal beschimpft wird, als er darauf nicht positiv reagiert: verstörend und bizarr, wenn es gespiegelt wird, ganz normal in der weiblichen Realität. Als der Mann sein Rad abstellt, wird er von einer Gruppe junger Frauen zuerst verbal belästigt, dann, als er sich wehrt, in einer Gasse sexuell bedrängt. Danach nimmt ihn erst die Polizistin, bei der er den Vorfall anzeigt, nicht ernst, später seine Frau, die ihm aufgrund seiner aufreizenden Kleidung zudem einen Teil der Schuld zuschiebt. Alles völlig verkehrt: sehenswert und lehrreich und arg.
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