Das steht eh ungenutzt herum
Was bisher nur unter Freunden und Verwandten üblich war, wird im Internet institutionalisiert.
Haben Sie die Geschichte von dem kleinen nordirischen Dorf Belcoo, das sich für den G8-Gipfel hübsch macht, gelesen? Es werden dort keine Blumentröge aufgestellt oder Häuser herausgeputzt, es werden mit Fototapeten potemkinsche Läden und Restaurants dahergegaukelt: In verlassenen, längst geschlossenen und vor sich hin rottenden ehemaligen Geschäften. (Vermutlich gibt es, wie überall, irgendwo in der Nähe eine Shopping Mall mit riesigen Parkplätzen.) Es ist sehr traurig: wie ein auf lebendig geschminkter Leichnam. Reines Image, kein Leben dahinter; bald werden auch die Fototapeten sich wieder ablösen.
Das passt, ein bisschen zumindest, zur nächsten großen Bewegung, die auf uns zurollt, und die, im Unterschied zum Tapetendorf, sehr erfreulich ist: dem neuen Trend zum Ausborgen und Verleihen. Was bisher nur unter Freunden und Verwandten, oder, wie in Bibliotheken oder beim Car-Sharing, gegen Gebühr zwischen einer Institution und einer Privatperson üblich war, wird im Internet gerade institutionalisiert. In Österreich z.B. durch die Internetplattform usetwice.at oder die – Verzeihung, Leser Bernhard W. – Facebook-Gruppe „share & care wien“, die schon fast 18.000 Mitglieder hat, die sich gegenseitig Dinge schenken und borgen. Und zwar gratis, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Man borgt sich Dinge, die man nicht kaufen will, weil man sie nur vorübergehend braucht, man verleiht solche, die die meiste Zeit ungenutzt herumstehen oder gibt sie einfach weiter an Leute, die sie akut brauchen. Schöne Idee. (Leser W., zur Erklärung, hat sich darüber mokiert, dass hier so oft Facebook vorkomme. Stimmt, aber es ist eben so, dass dort viele Trends beginnen und sich schnell Leute, die etwas brauchen, mit Leuten, die etwas haben, zusammenbringen lassen.)
Im Fall des nordirischen Dorfes, um darauf zurückzukommen, hat man sich auch etwas geborgt: ein – buchstäbliches – Image echten Lebens. Vorübergehend, bis man es nicht mehr braucht: weil die Welt eh nicht mehr herschaut.
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