Jetzt erst Knecht: Die totale Enteignung des Körpers

Doris Knecht
Altwerden ist etwas für Arme und Dumme, jedenfalls suggerieren das die Einheitsschneider der Schönheitschirurgie.
Doris Knecht

Doris Knecht

Kinnoperationen haben in den USA um 71 Prozent zugenommen. Es handelt sich dabei nicht um Kieferoperationen aus medizinischen Gründen: Zehntausend Amerikanerinnen und noch mehr Amerikaner haben sich Kinn-Implantate einsetzen lassen. Die sollen, wieder einmal, ihre Vergänglichkeit vertuschen:

Wir werden ja nicht mehr alt, wir reifen nur innerlich. Äußerlich bleiben unsere Körper, dafür sorgt die Medizin, in den Aggregatszuständen von 36-Jährigen: mit prallen Backen, vollem Haar und ebensolchen Lippen, faltenfreien Gesichtern, mit bis ins Greisinnenalter steil nach oben zeigenden Brüsten und den Geschlechtsteilen von Zwanzigjährigen. Altwerden ist etwas für Arme und Dumme, jedenfalls suggerieren das die Einheitsschneider der Schönheitschirurgie.

Eh stimmt das nicht und das Gegenteil ist der Fall: Man sieht den Leuten ihr Alter jetzt an den Schnittmustern ihrer Gesichter an. Und nun drehen die Society-Medien, die uns seit Jahren erfolgreich eingeredet haben, dass Zeichen des Älterwerdens auf Würdeverlust und innere Verwahrlosung hindeuten, die Schraube auf perfide Weise noch etwas an. Der neueste Spaß besteht darin, alternde Stars detailliert ihrer Schönheits-OPs zu überführen – und damit ihrer totalen Schwächlichkeit:

Weil sie ja nicht stark genug waren, dem Jugendlichkeitsterror genau dieser Medien standzuhalten, die sie jetzt deshalb extra vorführen und endgültig der Lächerlichkeit preisgeben. Es ist die totale Enteignung des menschlichen Körpers – und speziell wieder des weiblichen. Und ein Teufelskreis, dem niemand, der sich hineingewagt hat, je wieder entkommt. Dagegen hilft tatsächlich nur eins: nicht mitmachen.

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