Grund / Tat: Anstandsverletzung

Doris Knecht

Doris Knecht

Was Sie da machen, ist ein Delikt.

von Doris Knecht

über öffentliche Erotik

Die Geschichte, die jetzt erzählt wird, muss man vor dem Hintergrund betrachten, dass sich heutzutage, im Jahr 2015, Elfjährige in der Pause auf ihren Smartphones Pornos ansehen, 14- jährige sich (leider) gegenseitig Nacktfotos schicken. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass im Sommer im Museumsquartier das international gefeierte „ImPulsTanz-Festival“ eröffnet wurde mit einer Performance, in der alle Tänzerinnen und Tänzer vollkommen nackt waren, während die Choreografin unten gänzlich ohne auf der Bühne das DJ-Pult bediente. Im Laufe des Festivals soll in einer Aufführung Fellatio praktiziert worden sein. In jedem Hollywoodfilm, was heißt, in jeder deutschen Vorabend-Serie wird man nackter Körper beim Geschlechtsverkehr ansichtig.

Und so könnte man ewig weitermachen, zur erotischen Hintergrund-Skizzierung des Jahres 2015.

Aber jetzt die Geschichte.

Ein Mann und eine Frau (Namen der Red. bekannt), die beide schon lange erwachsen sind und lieber anonym bleiben wollen, trafen sich kürzlich im Huber-Park in Ottakring, im hinteren Bereich. Sie küssten sich.

Also gut, der Mann, der mir die Geschichte erzählte, gesteht: „Okay, es war ein bisschen mehr als küssen, es wurde ziemlich leidenschaftlich, doch es war weit davon entfernt, die durchschnittliche Hollywood-Liebesszene zu übertreffen.“

Konkret sei weder ein primäres und noch ein sekundäres Geschlechtsorgan weder von dem Mann noch von der Frau in irgendeiner Weise sichtbar oder gar öffentlich geworden.

Mitten in diesem Vorgang sei eine raue Stimme ertönt, und sie habe nach Ausweisen verlangt. Die Frau und der Mann sahen hoch und erblickten über sich drei Polizeibeamte. Anschließend sei ihnen folgendes zur Kenntnis gebracht worden: „Was Sie da machen, ist ein Delikt. Mit 40 Euro pro Person kommen sie gut davon, sonst gibt’s eine Anzeige“. Und Debatten sein im Übrigen zwecklos.

Und so geschah es dann auch. Die Organstrafverfügung, auf der hinter „Grund / Tat“ handschriftlich das Wort „ Anstandsverletzung“ gekritzelt steht, liegt dem KURIER vor.

Weil sonst wäre die Geschichte wirklich nur schwer zu glauben, im Jahr 2015.

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