Es war einmal eine Privatsphäre
Es war einmal eine Privatsphäre.
Für eine Reportage in der letzten Ausgabe wollte Spiegel-Reporter Uwe Buse einmal ausprobieren, was das konkret bedeutet: gläserner Mensch. Ob wir das wirklich sind, gläserne Menschen. Ob es in Zeiten, in denen jeder Mensch ein Smartphone und/oder einen Computer hat, etwas derartiges wie Privatsphäre noch existiert und ob sie sich schützen lässt, wie das ist mit der Datensicherheit, und ob eine Organisation wie die berüchtigte NSA wirklich in der Lage sei, einen einzelnen kleinen Bürger wie ihn komplett auszuspionieren.
Um das herauszufinden tat sich Buse mit ein paar Hackern aus einem Unternehmen zusammen, das sich auf das Aufspüren von Sicherheitslücken spezialisiert hat. Die schleusten auf seinem Smartphone und seinem Laptop Spionageprogramme ein: ganz einfache, die sich jeder User auch jederzeit im Internet einfangen kann. Was er daraufhin herausfand – besser: was ihm dann widerfuhr – ist beängstigend. Im Prinzip stand innerhalb weniger Tage seine gesamte Existenz auf dem Spiel und auch die seiner Familie: Von seinem Bankkonto über seinen Facebook-Account bis zu seinem Amazon-Konto war jedes passwortgeschützte Konto des Spiegel-Reporters geknackt worden, genauso wie die Handys und Computer seiner Frau und seiner zwei Kinder. Sein gesamtes Vermögen war auf ein anderes Konto transferiert, jedes seiner Mails gelesen, jedes seiner Worte mitgehört, jede Bewegung überwacht worden, und zwar von seiner eigenen eingebauten Webcam. Auf Facebook fand er sich als schwul geoutet – von sich selbst in einer Coming-out-Statusmeldung. Er brach das Experiment ab, nachdem er angeblich bei seinem Ressortleiter per eMail gekündigt hatte. „Mein Versuch in digitaler Selbstverteidigung“ schreibt er im Spiegel, „endet als totale Niederlage.“
Das kann im Prinzip jedem passieren. Wir beruhigen uns gemeinhin damit, dass unser kleines, langweiliges Privatleben zu banal und zu unwichtig zum Ausspionieren ist. Trotzdem. Geheimnisse waren einmal.
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