Es hat halt das Verlierer-Gen

Weil es wohl so etwas wie ein Verlierer-Gen gibt – jetzt nicht im Sinne einer Veranlagung zum Versager – und es ist leider erblich.
Doris Knecht

Doris Knecht

... und es ist leider erblich

von Doris Knecht

über das Verlierer-Gen

Wir begehen den Sonntag mit einer kleinen, aber feinen Geschichte: Leserin M.s neunjährige Tochter vergaß vergangene Woche am Nachhauseweg ihr Turnsackerl in einem Dr.-Richard-Bus. Das Kind sei ganz verzweifelt nach Hause gekommen, berichtet Frau M. Sie habe die Nummer des Bus-Unternehmens herausgesucht, habe angerufen. Habe eine „ganz liebe und geduldige Dame“ ans Telefon bekommen, und die habe dann tatsächlich Bus samt Fahrer ausfindig gemacht, und gleich einen Übergabe-Termin zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Haltestelle organisiert. Und tatsächlich, der Bus fuhr vor und Frau M. bekam das Turnsackerl ihrer Tochter ausgehändigt. Kind erleichtert, Mutter dankbar, alles gut. Nur eine kleine, nette Sache, aber viele solcher kleiner, netter Sachen machen die Welt ein bisschen netter.

Leider haben nicht alle Mütter Kinder, denen es so viel ausmacht, wenn sie ihre Sachen verlieren. Es soll Mütter geben, die in wöchentlicher Frequenz ihren Nachwuchs anbrüllen, weil der wieder einmal eine vorgestern erst gestrickte Haube, das Handy oder die Wohnungsschlüssel seines Vaters irgendwo liegen gelassen / verloren hat. Das Brüllen soll, hört man, insgesamt ebenso wenig Wirkung haben wie die Androhung empfindlicher Sanktionen: Weil es wohl so etwas wie ein Verlierer-Gen gibt – jetzt nicht im Sinne einer Veranlagung zum Versager – und es ist leider erblich. Und man hat nicht die allerstabilste moralische Basis beim Bebrüllen seines Kinde, wenn man selbst neben dem Zweitlieblingshalstuch (petrol-türkis, mit lachsfarbenen Rosen, falls es jemand irgendwo gefunden hat), im Laufe seines Lebens schon verloren hat (Liste unvollständig): Reisepässe, Zugtickets, Flugtickets, Antragsformulare, Autoschlüssel, Fahrradschlüssel, Wohnungsschlüssel, Kontoauszüge im Dutzend, Schminktasche, Geldbörse, eine Gitarre, zwölf Meter rotkarierten Stoff und einmal, im Augarten, das Kind. Das bekam ich wieder, dem Himmel sei Dank. Den Autoschlüssel suche ich immer noch.

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