Eh schon egal jetzt
Es wird jetzt viel gestrickt, offen und ungeniert
Der Heilige Abend war glücklich und schön, und nun wird hier aufs Engagierteste die Weisheit beherzigt, dass man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr zunimmt, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten: Eh schon egal jetzt, zumal auch die Mondkalender-App im Handy ganz unzweideutig bescheinigt, dass der Versuch, jetzt abzunehmen, vom Mond nicht unterstützt wird; das mache erst ab Samstag wieder Sinn, nach dem Vollmond, und dann dafür richtig. Also langt man bei Oma bei allen Mahlzeiten und den Keksen kräftig zu, lümmelt zwischendurch auf der Eckbank und verdaut praktisch permanent. Und weil man beim Verdauen (wenn man nicht gerade zum Verdauungsschnaps greifen muss) die Hände weitgehend frei hat, kann man sie genau so gut zum Stricken benutzen. Stricken ist gut, es verbraucht nicht die ganze Konzentration und erlaubt derart uneingeschränktes Parallel-Plaudern.
Es wird jetzt viel gestrickt, offen und ungeniert, nachdem das Stricken lange Zeit als spießiges Oma-Hobby galt. Aber angesichts der Krise verspüren die Menschen ein Bedürfnis,Talente zu kultivieren, die über das Verschieben von Waren in einen Online-Warenkorb hinausgehen. Und manche der Freundinnen, die immer schon heimlich gerne gestrickt haben, nähen ihren Arbeiten jetzt kleine Metallschildchen mit dem gravierten Schriftzug „Handarbeit“ ein: darauf verzichtet Ihre Autorin.
Aber auch sie war schon im örtlichen Woll-Geschäft und verließ es mit einem großen Sack voller bunter Merino- und Alpaka-Wollknäuel, die nun auf der Eckbank einer nach dem anderen in Hauben verwandelt werden, weil mehr hat Ihre Autorin auch geduldsmäßig nicht drauf. Augenblicklicher Schwerpunkt: Zopfmuster, neben dem von Herren bevorzugten Halbpatent, denn es wird jetzt gerne David Beckhams lässiger Schlumpfhaubenstyle kopiert. Aktuell in Dunkelgrau für Freund M., aber nun wird kurz pausiert, Oma ruft zum Essen.
Kommentare