Diese Freiheit leisten wir uns

Der ORF-Reporter Karim El-Gawhary hat im letzten Falter ein Interview gegeben. Er spricht über seine Arbeit, über den Arabischen Frühling, über Freiheit und Menschenrechte, über Syrien. Ganz zum Schluss erzählt El-Gawhary die Geschichte der Syrerin Soha, die er kürzlich recherchiert hat.

Die Frau floh mit ihren vier Töchtern in einem Boot übers Mittelmeer vor dem Bürgerkrieg nach Europa. In der Nacht ging das Boot unter. Die Frau hatte eine Schwimmweste, aber die reichte nicht für die ganze Familie. Man kann nicht nacherzählen, wie El-Gawhary beschreibt, wie die Frau eine Tochter nach der anderen loslassen musste, wie die Mädchen im schwarzen Meer versanken, bis Soha und ihre älteste Tochter schließlich gerettet wurden. "Ich denke mir oft", sagt El-Gawhary, "dass man in Österreich über die Gnade seines Geburtsortes nachdenken sollte. Dass es reiner Zufall ist, dass man dort und nicht in Aleppo, Hama oder Homs geboren ist." Ja. Oder als Tochter armer Leute in einem Dorf in Indien oder schutzlos in Nigeria.

Dafür kann man dankbar sein, jeden Tag. Und das soll uns nicht daran hindern, sondern uns im Gegenteil anspornen, dafür zu sorgen, endlich gleiche Rechte für all jene zu schaffen, denen sie immer noch nicht vollständig gewährt werden. Im Nachhall von Song Contest und Life Ball wurde viel über Toleranz gesprochen. Die 40 rechtlichen Unterschiede, die es zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren immer noch gibt, mögen vergleichsweise wie First-World-Problems ausschauen, aber das sind sie eben nicht.

Es geht um Gleichheit, um Bürgerrechte, um Freiheit, und da darf man nicht nachlassen. Das große US-Magazin TIME zeigt zum ersten Mal eine Transgender Person auf dem Titelblatt, die Schauspielerin Laverne Cox, die durch die Serie "Orange is the new Black" bekannt wurde. Transgender sei, hieß es neben dem Bild, die neue große Bürgerrechts-Front. So ist es. So frei sind wir nämlich, dass wir uns auch diese Freiheit leisten. Das kann uns stolz machen, und dankbar.